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sagte sie vorsichtig. »Manchmal gehen die Pferde mit mir durch.«
»Ist schon okay. Das ist ein schwieriges Thema. Ich kenne auch nicht alle Antworten. Aber ich glaube nicht, dass man mit Waffengewalt erreichen kann, was die Transkriptoren wollen.«
»Sehen wir mal nach, was sonst noch läuft«, sagte sie, griff nach der Fernbedienung und wechselte den Kanal. Sportfischen wurde gezeigt. Zwei Männer zogen in den Florida Keys einen Marlin an Bord.
»Sie scheinen verspannt zu sein. Wie wär’s mit einer Massage?«, fragte sie und griff nach Roosevelts Nacken.
Roosevelt wich vor ihr zurück. »Einen Moment lang habe ich wirklich neben Ihnen gesessen, neben Ihrem wahren Ich. Jetzt spielen Sie mir wieder etwas vor. Sie sind jemand anders. Sie müssen nicht bei mir bleiben.«
Sie blickte ihn nachdenklich an. »Ich lebe in einer gefährlichen Welt. Sie haben keine Ahnung.«
»Da haben Sie vermutlich recht.«
Auf dem Bildschirm durchbrach ein wunderschöner Marlin die Wasseroberfläche und tauchte wieder unter. Der Blick der Frau war auf das Fenster gerichtet. Ein Werbeluftschiff schwebte tief über dem Central Park und projizierte das Bild irgendeines neuen Shampoos in die Luft. Gleichzeitig verhungerten in Ituri Menschen oder wurden getötet, und Tausende von Transkriptoren starben. Das konnte man allzu leicht vergessen.
Roosevelt dachte über die Worte der Frau nach. Für ihn waren sie gerechtfertigt. Die Transkriptorenbewegung war Roosevelt schon immer sinnvoll und gerechtfertigt erschienen. Von frühester Kindheit an, als er in eine fremde Familie aufgenommen worden war, hatte Roosevelt sich als Außenseiter gefühlt, und wegen dieses Gefühls sympathisierte er nun mit den Transkriptoren. Er konnte ihre Wut verstehen.
»Sie sind doch Transkriptorin, nicht wahr?«, fragte er nach einem Augenblick.
Sie schaute ihn an und seufzte: »Spielt das irgendeine Rolle für Sie?«
Er nickte.
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Ja, ich bin eine Transkriptorin.«
»Wie fühlt sich das an?«, fragte Roosevelt.
»Es fühlt sich an wie …« Sie verstummte, dachte nach. »Waren Sie schon mal am Strand und haben sich eine von diesen Muscheln genommen, die ein Geräusch machen, wenn man sie sich ans Ohr hält?«
»Eine Schneckenmuschel.«
»Ja, eine Schneckenmuschel. So ungefähr ist das. Sie können sich eine dieser Muscheln ans Ohr halten und das Rauschen des Meeres darin hören, das Brausen des Windes, doch in Wahrheit ist die Muschel leer. Es ist nur eine Illusion.«
Roosevelt kannte dieses Gefühl: Leere. Die Frau schaute ihn traurig an. Dann nahm sie den Blick von ihm und beobachtete, wie das Luftschiff langsam über die Skyline hinwegglitt.
»Ja«, sagte sie schließlich. »So ähnlich fühlt es sich an. Als wären Sie innerlich vollkommen leer.«
Als die Stunde vorbei war, ging sie ins Badezimmer, um sich die Kleider anzuziehen, die sie mitgebracht hatte. Roosevelt beobachtete den Verkehr auf dem Highway, die roten Rücklichter der Autos, die sich wie Lavaströme träge über den Asphalt wanden.
Als die Frau wieder aus dem Bad kam, trug sie Jeans und T-Shirt.
»Wir sind also im Reinen?«, fragte sie und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zurück.
Roosevelt nickte. »Sicher.«
»Ich muss jetzt gehen.«
»Wohin?«
»Das wollen Sie nicht wissen.«
»Okay«, sagte Roosevelt. »Schulde ich Ihnen irgendwas?«
Die Frau lachte. »Wir haben doch nichts gemacht.«
»Für Ihre Zeit … Sie wissen schon.«
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Danke, aber es ist für alles gesorgt.«
Roosevelt schaute sie an. »Wer hat für alles gesorgt?«
»Ihr Bruder, nehme ich an. Man hat mich angewiesen, aggressiv mit Ihnen zu sein.«
»Was heißt das denn?«
»Ich sollte alles tun, damit Sie mich ficken«, sagte sie. »Sind Sie verheiratet?«
»Verlobt.«
»Mit einer Affäre hat man jemanden ganz hervorragend in der Hand«, erklärte die Frau, beugte sich vor und küsste Roosevelt auf die Wange. »Aber Sie waren heute Abend ein braver Junge.«
Sie drehte sich um, warf sich ihre Tasche über die Schulter und ging hinaus.
Brooklyn
Z urück in Brooklyn ging Jazz in Roosevelts Apartment. Swing war zu hören, Glen Millers »In The Mood«. Das Saxofonsolo begann im selben Augenblick, als Roosevelt die Wohnung betrat. Die Musik kam aus dem Schlafzimmer. Roosevelt trank in der Küche einen kräftigen Schluck Orangensaft aus dem Kühlschrank und dachte an Queen Elizabeth.
»Roosevelt? Bist du das?«, rief Dolce
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