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Golem - Golem - Genome, Inc.

Titel: Golem - Golem - Genome, Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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von einer allgemeinen genetischen Disposition der Menschen zur Gewalt zu sprechen. Lieber glaube ich daran, dass der Mensch im Grunde gut ist und nicht nur durch Angst zurückgehalten wird.«
    »Angst vor was?«
    »Angst vor dem Gesetz. Angst davor, ins Gefängnis zu gehen. Angst vor der Religion. Angst, in die Hölle zu kommen. Ich will einfach nicht glauben, dass nur Gott und die Polizei uns davon abhalten, uns gegenseitig abzuschlachten.«
    »Aber was, wenn die Menschen nicht an eine Seele glauben würden oder wie immer du es bezeichnen willst? Meinst du, sie wären dann gewalttätiger?«
    »Was meinst du damit?«
    »Man könnte Religion als Korrektiv verstehen, das alles im Gleichgewicht hält. Wir neigen nicht von Natur aus zur Gewalt, aber auf der Jagd nach wertvollen Ressourcen nutzen wir sie als Mittel, um zu bekommen, was wir wollen. Wenn ich etwas hätte, was du haben willst, etwas sehr Seltenes, wärst du bereit, mich umzubringen. Doch die Grundlage einer jeden Religion ist die Existenz einer Seele, einer Quelle ewigen Lebens in uns allen. Und wenn wir diese Seele nun in einen religiösen Rahmen stellen, der uns lehrt, dass alle Formen von Gewalt falsch sind, müssen wir uns plötzlich mit den Konsequenzen von Gewalt auseinandersetzen. Wenn du mich jetzt tötest, wird deine Seele dafür im Leben nach dem Tod bestraft. Vielleicht sorgt das dafür, dass die Menschen sich zurückhalten.«
    »Du glaubst, ohne Seele würden die Menschen sich der Gewalt zuwenden?«
    Dolce zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, dass die Menschen wie fast alle Lebewesen selbstsüchtig sind. Wir werden mit Hunger geboren, und wir streben ständig danach, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Ich weiß nicht, ob wir uns gegenseitig umbringen würden, wenn wir keine Seele hätten. Aber ich glaube, dass die Gründe für unsere Zurückhaltung sich nicht einfach auf Angst beschränken lassen. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Ich glaube, unsere menschliche Moral hat weniger mit der Angst vor Bestrafung zu tun als vielmehr mit der Notwendigkeit, eine stabile Gesellschaft zu bewahren …«
    »Eine Gesellschaft, in der die Menschen miteinander kooperieren, kann ungleich mehr erreichen als eine, in der sie sich gegenseitig umbringen.«
    Auf dem Bildschirm schaute Roosevelt sich an, wie die Pittsburgher Linie von den tobenden New Yorkern niedergemäht wurde. Die Kamera schwenkte zu den Zuschauern und zeigte Tausende schreiender Gesichter, die den Sieg frenetisch bejubelten. Dolce ließ die Hand über Roosevelts Schulter gleiten und beugte sich vor, um ihn zu küssen.
    »Was ist mit ihnen?«, fragte er und nickte in Richtung des Monitors. »Wie passen die Transkriptoren in unsere Gesellschaft?«
    Dolce seufzte. »Ich bin mir nicht sicher. Ich bin nicht religiös, aber ich glaube an einen gütigen Gott. Nur weiß ich nicht, wie die Transkriptoren da ins Bild passen. Auf jeden Fall ist es falsch, wie wir sie behandeln. Ich glaube, dass es für alles einen Grund gibt. Vielleicht wissen wir noch nicht, welche Rolle die Transkriptoren wirklich spielen. Aber wie immer diese Rolle aussehen mag – es geht dabei um mehr als nur darum, sich zu unserer Unterhaltung gegenseitig abzuschlachten. Das kann kein gütiger Gott, kein gütiges Universum sich wünschen.«
    Dolce setzte sich neben Roosevelt, und er legte den Kopf in ihren Schoß.
    »Ich muss einfach glauben, dass es auch Gutes in der Welt gibt«, fuhr Dolce fort und streichelte ihm übers Haar. »Die Transkriptoren sind aus irgendeinem guten Grund erschaffen worden. Manchmal müssen wir eben warten, bis Gott uns die Erklärung offenbart.«
    Sie beugte sich vor und küsste Roosevelt erneut. Dann zogen sie sich ins Schlafzimmer zurück.
    Eine Muschel, die man sich ans Ohr hält, erzeugt das Rauschen des Meeres. Queen Elizabeth hatte Roosevelt erzählt, so ähnlich fühle es sich an, ein Transkriptor zu sein. Man könne diese andere Welt fühlen, hatte sie gesagt, doch innen sei alles leer, seelenlos und leblos.
    Das Gefühl war eine Illusion. Das Meer existierte nicht; es hatte nie existiert. Roosevelt hatte schon sein Leben lang gefühlt, dass irgendetwas anders war.
    Er spürte Dolce neben sich. Im Stadion, vor dreihunderttausend Augenpaaren, hatten sich zwei Transkriptoren-Armeen gegenseitig vernichtet, und in der Stille des Schlafzimmers fühlte Roosevelt nun etwas genauso Mächtiges.
    Hinterher konnte er nicht einschlafen. Er ging ins Wohnzimmer, und erneut erwachte der Monitor zum Leben.

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