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Rand des Feldes stellten sie sich auf. Sky King lief die Reihe entlang und schlug jedem auf die Schulter. Am anderen Ende des Feldes hatten sich die Gegner aus Houston aufgestellt. Ihre roten britischen Uniformen zeichneten sich scharf vor der Stadionbeleuchtung ab.
Das Feld war bereit.
Zwischen den beiden Streitkräften befanden sich Bäume und kniehohes Gras. Balkenzäune durchzogen die Landschaft; manche waren verrottet. Am einen Ende des Schlachtfeldes stand ein kleines weißes Bauernhaus im Kolonialstil. Vor dem Häuschen pickten Hühner im Gras.
Das Maskottchen der New York Braves, der Indianer, rittauf seinem weißen Pferd über das Feld. Er hielt einen Speer in der Hand, und sein Körper war mit Kriegsbemalung verziert. Auf halbem Weg hielt er an, ließ das Pferd steigen und reckte den Speer in die Luft. Dann machte er kehrt und ritt zur Seitenlinie. Als er an Roosevelt vorbeikam, sprang er vom Pferd, und zwei Stallburschen kümmerten sich um den Hengst.
Coach Sharp hatte recht gehabt. Transkriptoren waren gestorben und vergessen worden, ihre Körper zu Staub zerfallen. Aber nicht Roosevelt. Roosevelt war stark geworden, hatte seinen Hass geschürt und auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Er konnte nicht sterben. Er war noch nicht bereit dazu. Sie hatten ihm Dolce genommen. Geblieben waren ihm sein Leben, das Pochen seines Herzens und vor allem seine Erinnerungen, die er schützend im hintersten Winkel seines Hirns verbarg. Alles andere war so spurlos verschwunden, als hätte er nie existiert.
Aber er hatte existiert, hatte dieses Leben gelebt. Das alles war nicht bloß ein Traum. Es war real gewesen, und irgendjemand hatte es ihm genommen. Und solange dieser Jemand nicht dafür bezahlt hatte, konnte Roosevelt nicht sterben.
Er ließ den Blick über die Zuschauermenge über ihnen schweifen. Es waren Hunderttausende. Und sie beobachteten ihn. Roosevelts Blick schweifte über die tobende Menge zur Pressetribüne hinauf und von dort zum VIP-Bereich. Er sah Menschen hinter den großen Glasfenstern, doch sie waren zu weit entfernt, als dass er jemanden hätte erkennen können.
Aber irgendjemand dort oben hatte ihm sein Leben genommen.
Er tippte Regal Blue auf die Schulter. »Gib mir mal kurz dein Fernglas.«
Regal Blue griff in seine Tasche und holte ein gut dreißig Zentimeter langes Fernrohr heraus. Roosevelt hob es ans Augeund richtete es auf die Stelle, wo er und Dolce einst gesessen hatten. Er musterte die Gesichter hinter den Glasscheiben. Die Lounge war wie immer gut gefüllt, und die Party schien in vollem Gang zu sein.
Dann schmetterte ein populärer Transkriptorensänger die Nationalhymne, und die Menge fiel begeistert ein. Roosevelt nahm das Fernrohr herunter. Er sah, dass die anderen Braves Haltung angenommen hatten. Die Hand aufs Herz gelegt, schauten sie zu einem riesigen Sternenbanner hinauf.
Roosevelt gab Regal Blue das Fernrohr zurück.
Die Nationalhymne verklang, und der Stadionsprecher stellte beide Teams vor. Rechts von Roosevelt brachten die Kanoniere der Braves schwere Zwölfpfünder in Feuerstellung.
Ein Dudelsackpfeifer begann zu spielen, und Trommeln setzten ein. Sky King lief die Linie der Braves entlang. Die Adern an seinem Hals waren geschwollen, und er schlug jedem seiner Kämpfer auf die Brust. »Gebt euer Bestes! Das ist unser Haus! Sie kommen in unser Haus!«
Dann ging alles sehr schnell, und Roosevelt wurde von den Ereignissen mitgerissen.
»Erster Zug!«, brüllte Coach Sharp von der Seitenlinie. »Waffen laden!«
Die Zuschauer brachen in so lauten Jubel aus, dass Roosevelt kaum hören konnte, wie fünfzig Gewehrkolben gleichzeitig auf den Boden knallten und die Waffen geladen wurden. Roosevelt biss eine Patrone auf, schüttete einen Teil des Pulvers auf die Zündpfanne, den Rest in den Lauf. Dann riss er den Ladestock heraus, stieß Kugel und Pulver fest in den Lauf und legte die Waffe an.
Auf der anderen Seite des Feldes stellten die Houston Redcoats sich zu einer Feuerlinie auf. Ihre Flagge wehte hinter ihnen. An der Seitenlinie blickte Coach Sharp auf ein laminiertes Stück Papier, sprach aufgeregt in sein Headset und winkte dann einen der Assistenztrainer zu sich. Auf der Suche nach alten Erinnerungen gestattete Roosevelt sich einen letzten Blick hinauf zum VIP-Bereich, aber da war nichts mehr.
Roosevelt richtete seine Aufmerksamkeit wieder aufs Schlachtfeld, schloss die Augen, atmete tief durch und versuchte, sich Dolce an seiner Seite vorzustellen.
Eine
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