Golem - Schicksalstraeger
strich sie mit der Hand über das Wasser. Seine Oberfläche erschuf ein gestochen scharfes Bild von einem Brocken, der gemeinsam mit seinem besten Freund die Wiesen und Wälder besuchte und das Leben genoss. Er zeigte mich wie ich versucht hatte mich gegen Skorn zu verteidigen, was wirklich einen überaus lächerlichen Anblick bot.
Mich, wie ich diese Reise begonnen hatte, und wie ich auch heute eigentlich noch war.
»Es ist nicht wichtig was davor war, denn es reicht bereits der Brocken aus, der war, als deine Reise begann. Du hast Silvia mit deinen Kräften befreit, nicht dein vergessenes Ich. DU.«
Ich zuckte bei diesen Worten zusammen. Ich hätte Silvanas Tod nicht verhindern dürfen, schoss es mir in den Kopf. Die Verbindung zweier Schwestern brach nie und ich hatte doch gespürt, dass Silvia Silvana aufzehrte! Nun machte alles etwas mehr Sinn. Dafür bildete sich ein dicker, stachliger, schmerzender Kloß in meinem Bauch.
»Also bin ich Schuld am Krieg …«, flüsterte ich schockiert. Doch Trunkfee schüttelte den Kopf. Ich spürte, dass sie mir nicht mehr geben würde als dieses Nein.
»Aber warum ist mein Tsurpa dunkel? Und warum musste Prophet sterben?«, fragte ich leise all die Fragen, die mich nun schon so lange quälten.
»Das Schicksal deines Tsurpa war besiegelt, weil der Krieg mit der Hexe schon zu Anbeginn der Zeit geplant war. Vielleicht nicht so, weil auch was das Schicksal betrifft, gibt es immer Variationen. Und Prophet wählte ihren Tod selbst, denn ohne dich wäre die Vernichtung von allem unausweichlich. Mit dir liegt es an dir, am Zufall und Glück. Das wusste sie. Die Frage ist also nicht, wer du warst sondern wer du bist.
Und was du bist ist alles was du nicht mehr zu sein scheinst. Ihr alle wurdet von ihr getäuscht, doch du allein stehst am Scheidepunkt.
Die Gleichen werden sich treffen und die Entscheidung erbringen. Erst wenn beide befreit sind, wird der Krieg ein Ende finden.«
Rein vom Logischen her konnte Trunkfee nur Unrecht haben. Schon allein wenn ich mir die Sache mit Prophet überlegte, passte es einfach nicht zusammen. Prophet war gestorben und erst danach hatte ich meine Kräfte verliehen. Außerdem, wenn der Krieg schon vor all diesen Ereignissen unausweichlich war, warum hätte Oskar uns dann beide töten wollen?
Trunkfee kicherte leicht.
»Dummchen«, sagte sie leise. Ich bekam immer mehr das aufdringliche Gefühl, dass sie in meinen Gedanken herumschwirrte und das war erstens reichlich skurril und zweitens Privatsphäre in der sie nichts verloren hatte.
»Bevor Prophet starb war der Splitter des Tores bereits auf der Reise und mit ihm die Garantie, dass die Hexe freikommen würde. So oder so.« Trunkfee sah mir tief und geheimnisvoll in die Augen. Sie wollte mir etwas sagen, ohne es zu sagen, und ich verstand einfach nicht was.
Sie flatterte nah vor mein Gesicht und durchforstete es haargenau.
»Du hast es noch nicht begriffen oder? Es ist Krieg, Kaliß, Krieg! Sieh her!«, wies sie mich an und flog wieder zum Fluss.
Abermals ließ sie ihre Hand das Wasser streicheln und es zeigte die Gegenwart. Es zeigte wie Männer, Frauen und Kinder fielen, niedergestreckt von den dämonischen Kreaturen.
Szenen wechselten in flammende Städte. Von Panik gezeichnete Gesichter preschten mir mit unhörbaren Schreien des Grauens auf den Lippen entgegen. Mit blanken, Horror geplagten Augen starrten sie mich an. Und alle wollten nur endlich wieder sicher sein. Sie ersehnten das Ende des Krieges.
Menschen stürzten und wurden unter den trampelnden, unachtsamen Schritten ihresgleichen zermalmt.
Chaos war überall. Es gab keine Ruhe und keinen Frieden mehr.
Die Welt ging unter.
Und, wenn ich Trunkfee glaubte, war der einzige, der dies noch verhindern könnte, ich, der das Kämpfen verabscheute und lieber Ärger aus dem Weg ging.
Ich wollte fortsehen, aber das konnte ich nicht. Mein Blick klebte mit Schrecken an den Bilder, die Schmerz und Leid mit Tränen, Blut und Feuer malten.
Gelähmt und sprachlos war ich ihnen hilflos ausgeliefert. Irgendwann als das Fass schon lange übergelaufen war, konnte ich endlich wegsehen und meine Augen verschließen.
Ich spürte wie Trunkfee sich auf meiner Schulter niederließ.
»Es tut mir leid«, seufzte sie flüsternd.
»Aber wenn dir nicht bewusst ist was nun schon seit Jahren um dich herum geschieht, dann muss dich doch jemand wecken? Du bist aus dem Koma erwacht, aber von der Realität warst du noch immer weit entfernt.
Gerade
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