Golem - Schicksalstraeger
wollte ich nicht aufhören. Hoffte, dass ich nur einmal die Zähne zusammenbeißen musste und der Zauber dann normal wurde. Das flackernde Licht wurde beständig und mit dieser Beständigkeit wuchs die Kraft, die auf mich wirkte und mich zu zermalmen drohte.
Außer mir schaffte ich es aus der Hintertür ins Freie zu gelangen, ging zu Boden, krümmte mich, bekam kaum Luft. Irgendwo im Himmel leuchteten die Farben des Regenbogens. Konnte die Augen nicht offen halten. Der Boden unter mir bebte oder war ich es, der bebte?
Der Boden … ein Teil von mir. Meine sichere Zuflucht! Erde, Gestein, Felsen, Berge, Gott, Berge, wie ich sie hasste und liebte! Oh, endlich wieder ein Brocken sein!
Doch dann empfing mich Wärme und irgendwoher wurde mir Stärke gegeben. Obwohl mein eigener Zauber mir zu viel entzog, wurde dieser Mangel aufgefangen. Ich merkte, dass ich nicht mehr schwächer wurde, auch nicht stärker.
Dann hörte ich aus heiterem Himmel eine vertraute Melodie. Sie erinnerte mich an alles, was ich so liebte; die fabelhafte, faszinierende Welt. Das Leben mit allen Schönheiten und Annehmlichkeit. Ich wusste doch, wie ich mein Leben genoss. Ich wusste es doch ganz genau. Fühlte das Gras als Mensch unter mir. Es war so schön weich und glatt. Ich roch seinen Duft. Den Duft des ganzen Waldes. Wegen diesen Dingen, diesen einfachen, scheinbar belanglosen Dingen, deshalb war ich gern ein Mensch. Weil ich Silvana besser spüren konnte und sie vernünftig umarmen konnte. Mit meinen Fingern Prophet durchs Federkleid fahren konnte und die weichen Federn spürte, und auch keine Angst haben musste Prophet dabei zu verletzen.
All diese Dinge waren so viel näher und direkter; lebendiger, intensiver.
Es war was Besonderes. Es nur aufzugeben, um beschützt zu sein … Nein, das konnte ich nicht.
Obwohl ich mich entschieden hatte meinen Zauber anzuhalten, konnte ich ihn nicht kontrollieren.
Diese Melodie … Sie ließ mich spüren, dass ich den Zauber nicht beenden, sondern nur ziehen lassen musste. Also bestand alles was ich nun tat, nur daraus mich zu erinnern, warum ich gern lebte und zwar als Mensch. Ich erkannte, dass der Zauber seine Wirkung verlor, als ich nicht mehr das Gefühl hatte, dass er mir Stärke entzog.
Ich war müde und ich liebte den Wald. Es regnete auch nicht mehr. Also rollte ich mich zusammen wo und wie ich gerade war. Meine Hand traf auf etwas Warmes. Widerwillig öffnete ich die Augen und sah Boris. Er war der Grund, weshalb mir warm geworden war, und warum meine Kraft nicht gänzlich flöten gegangen war. Er hatte mich mit einem Teil seiner Kraft versorgt, aber wieso?
Und direkt neben mir saß Prophet, der Regenbogen, die Melodie. Prophet hatte mir immer dieses eine Lied vorgesungen, immer. Mal die eine Strophe mal eine andere, doch immer dasselbe Lied. Vielleicht aus genau dem Grund, um mich eines Tages zu erinnern. Mich zu erinnern, wer ich war und warum ich war.
»Du solltest aufstehen, kleiner Held.« Ich sah Boris verdattert an. Ein Held war ich sicher nicht. Davon abgesehen wusste ich, dass er zwiegespalten über mich dachte. Warum war mir allerdings nicht gesagt worden.
»Ich bin wahrlich kein Held«, stieß ich bitter aus, während ich mich aufrichtete. Boris zwinkerte mir nur zu. Ich verstand ihn gerade partout nicht.
»Und überhaupt, wieso hast du mir geholfen?« Boris schenkte mir ein schiefes Lächeln und spielte mit seinen Krallen im Matsch.
»Fühlt sich gut an, nicht?« fragte er und sah zu, wie sich seine Krallen in den Schlamm gruben und wieder heraus.
»Weißt du, kleiner Held«, er betonte dieses »kleiner Held« auch noch extra! Es passte nicht - nicht zu mir.
»Ich mag zwar geteilter Meinung über dich sein, doch welchen Anlass gibt mir das dich sterben zu lassen. Umgekehrt, warum bin ich erleichtert, dass es dich überhaupt gibt?« Es begann wieder zu regnen. Sykora hatte es mit den Wolken wohl etwas zu gut gemeint. Boris spreizte einen Flügel ein Stück ab, um mich vorm Regen zu schützen.
»Ich weiß, dass du auf meinem Rücken irgendetwas gedacht hast, was dir furchtbare Angst gemacht hat. Und ich habe von der Sache mit Pseiyun gehört. Wir Drachen sind vielleicht keine Gedankenleser wie deine Silvana, doch manchmal ist es gut, wenn man dafür ausgezeichnet Empfindungen aufnehmen kann. Dazu kommt, dass deine kleine Prophet mir ansonsten wohl möglich die Augen rausgepickt hätte. Sie mag den Gedanken nämlich gar nicht dich zu verlieren.« Ich warf Prophet einen
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