Golem stiller Bruder
Schmulik etwas Neues erfahren habe.
Schmuliks Gesicht wurde ernst, er sah auf einmal viel älter aus. »Es wird immer schlimmer«, fing er fast widerstrebend an zu berichten. »Auf dem Markt war der Mönch, dieser Thaddäus, und hat Hetzreden gehalten, ihr wisst schon, dass wir Juden ihren Christus ermordet hätten und deshalb den Tod verdienten. Und er hat auch wieder von dem Kind angefangen, das in der fernen Stadt Regensburg angeblich von Juden umgebracht wurde, weil sie sein Blut brauchten, um Mazzes* zu backen.«
Mendel hob klagend die Hände. » Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet zum Herzen Jeruschalajims und rufet ihm zu, dass erfüllt ist seine Dienstzeit, dass seiner Schuld genug getan .«
»Danach haben ein paar Raufbolde Koppel angegriffen, den Fiedler, und ihn brutal zusammengeschlagen«, fuhr Schmulik bedrückt fort. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie die groben Kerle auf ihn eingeprügelt haben. Viele Leute standen drum herum und haben gejubelt und geschrien, dass es ihm recht geschehe, diesem Gottesmörder. Tod allen Juden, haben sie geschrien.«
Mendel erstarrte, und trotz der Mehlschicht war zu erkennen, dass er blass wurde. Schmulik zuckte mit den Schultern und hob hilflos die Hände. »Ich konnte ihm nicht beistehen, ich hatte doch das Brot und den Beutel mit Geld, ich durfte den Verlust nicht riskieren. Und es hätte auch nichts genützt, die anderen waren zu viele.«
»Was ist mit Koppel?«, fragte Mendel mit zitternder Stimme.
Schmulik legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Du brauchst dich nicht zu sorgen, mit Gottes Hilfe ist er jetzt wieder bei seiner Frau und seinen Kindern. Es ist ihm gelungen, den Feinden zu entkommen, auch wenn er nicht mehr richtig laufen konnte. Er hat sich auf der Brücke hinter einem Mauervorsprung versteckt, und dort habe ich ihn auf dem Rückweg gefunden, ihn und seine Fiedel, die allerdings zerbrochen ist. Ich habe ihn auf meinen Karren gesetzt und nach Hause gebracht.«
»Dem Ewigen sei Dank«, sagte Mendel erleichtert. »Los, die Arbeit wartet, oder glaubt ihr, ich wäre jetzt so reich, dass ich euch fürs Faulenzen Lohn bezahlen könnte?« Doch er lachte bei diesen Worten und strich Schmulik liebevoll über die Wange.
Mit Schmuliks Ankunft hatte sich die Stimmung in der Backstube verändert und die Hitze war weniger erstickend. Nun erst fiel Jankel auf, wie still es vorher gewesen war. Schmulik summte bei der Arbeit vor sich hin und machte ab und zu einen Scherz, und Jankel hatte das Gefühl, als gehe ihm alles leichter von der Hand, sein Rücken tat nicht mehr so weh und die Zeit verging viel schneller.
Er musste Schmulik helfen, die inzwischen aufgegangenen Teiglinge, wie die noch ungebackenen Laibe hießen, mit Salzwasser zu bestreichen, damit sie im Ofen eine glänzende, knusprige Kruste bekommen würden. Mendel schob sie mit der Schaufel, die er Halter nannte, in den Ofen, nachdem die Steine die richtige Hitze hatten. »Er schießt sie ein, so heißt das«, erklärte Schmulik. »Und wenn er sie rausholt, heißt das ausschießen. Mach dir keine Sorgen, diese Wörter lernst du alle noch.« Auch während der Backzeit wurden die Teiglinge mehrmals mit Wasser bestrichen.
Nach dem Ausschießen wurden die frisch gebackenen Laibe auf das Gestell mit den Brettern gelegt. Ihr Duft erfüllte die Backstube und hüllte die Menschen ein wie ein weiches Tuch. Nun kamen auch schon die ersten Kunden, die genau zu wissen schienen, wann das Brot fertig war.
Irgendwann, als die Sonne schon im Westen stand, sagte der Bäcker zu Schmulik und Jankel, für heute sei es genug, sie sollten nach Hause gehen. Sie wuschen sich im Hof und klopften das Mehl aus ihren Kleidern. Jankel band sich die Schürze ab, schlüpfte in seine Jacke und steckte den duftenden, knusprigen Kinderkringel in die Tasche, bevor er sich von Mendel, Anschel und Schmulik verabschiedete. Er war müde nach seinem ersten Arbeitstag, müde und zufrieden und erfüllt von der Gewissheit, dass er es mit Mendel, dem Bäcker, gut getroffen hatte.
Nach dem Abendessen ging er zu Frumes Haus, den Weg kannte er ja schon. Er sehnte sich nach seiner kleinen Schwester, doch als er dort ankam, fühlte er einen leichten Stich im Herzen und ein Brennen in der Kehle, denn sie empfing ihn, als sei sie schon immer hier zu Hause gewesen. Sie freute sich über ihn, wie man sich über einen lieben Gast freut.
Frume sah seine Enttäuschung. Sie berührte kurz seine Schulter und fragte leise:
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