Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Golem stiller Bruder

Golem stiller Bruder

Titel: Golem stiller Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
Vom Netzwerk:
Weise los, indem man seine Gläubiger umbringt. Das ist es, was Ihr damit sagen wollt, nicht wahr?«
    Doktor Balthasar nickte. »Ja, genau das ist es, was ich befürchte. So ist es oft genug geschehen. Bei jedem Pogrom gegen Juden gewinnen irgendwelche Christen und manche von ihnen werden sogar reich. Es ist immer das Gleiche: Diejenigen, die Schuld haben an einem Blutbad, gehen straflos aus, die Schuldner gewinnen dadurch, dass ihre Gläubiger umgebracht werden, und schließlich profitiert auch die königliche Kasse, weil ihr das Vermögen der Getöteten zu fällt.«
    »So verdient ein jeder an toten Juden«, sagte der Rabbi und seufzte tief. »Ihr habt recht, in was für einer Welt leben wir doch!«
    Wieder schwiegen die Männer eine ganze Weile, dann fragte Doktor Balthasar: »Sagt mir, was ich tun kann, um Euch zu helfen. Ihr habt doch einen Plan, sonst hättet Ihr mich nicht kommen lassen.«
    Jetzt wurde die Stimme des Rabbis lauter und drängender. »Der Pöbel ist aufgehetzt«, sagte er, »man muss den Pöbel beeinflussen, und zwar schnell, wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt. Ich bitte Euch, das Gerücht zu verbreiten, dass ich über magische Kräfte verfüge, dass ich ein Zauberer bin und sie alle vernichten kann. Versteht Ihr, nur Angst wird sie vielleicht davon abhalten, in der Judenstadt ein Blutbad anzurichten, nur Angst um ihr persönliches Schicksal hält sie möglicherweise zurück. Das ist unsere letzte Hoffnung, deshalb bitte ich Euch darum, mein Freund, um der Barmherzigkeit des Ewigen willen.«
    Doktor Balthasar hob abwehrend die Hände. »Ihr steht doch schon im Ruf, ein Wunderrabbi zu sein und über magische Kräfte zu verfügen.«
    »Nur bei den Gebildeten«, sagte der Rabbi. »Ich meine aber die anderen, die, welche am Schluss das Morden übernehmen. Die sich nur allzu gern die Hände schmutzig machen.«
    Doktor Balthasar schüttelte den Kopf. »Wenn ich das tue, was Ihr von mir verlangt, geratet Ihr in Gefahr, das muss Euch klar sein. Ihr wollt, dass ich Angst erzeuge, und Angst ist gefährlich. Wenn Angst zu groß wird, kann sie leicht in Wut umschlagen, und dann weiß keiner, was daraus erwächst.«
    Doch der Rabbi achtete nicht auf die Einwände des Gelehrten. »Am besten sucht Ihr Euch Männer unter dem einfachen Volk aus«, sagte er, »Handwerker, Händler auf den Märkten, Fischer und Flößer, unter denen Ihr das Gerücht ausstreuen lasst. Ihr könnt ruhig übertreiben, Ihr müsst sogar übertreiben, und scheut Euch nicht, mich als gefährlichen Menschen hinzustellen, als Bedrohung für jeden anständigen Christen. Nur wenn sie um ihr eigenes Leben fürchten müssen, werden sie vielleicht nachdenken, bevor sie sich auf ein Pogrom einlassen, zumindest ist das eine Hoffnung.« Der Rabbi hob flehend die Hände. »Tut, was ich Euch sage, es ist unsere einzige Hoffnung, versteht Ihr?«
    »Aber wenn ich solche Dinge über Euch verbreite, könnte es Euch in eine besondere Gefahr bringen«, wandte Doktor Balthasar ein. »Vergesst nicht, was ich Euch von den Hexenprozessen erzählt habe.«
    Der Rabbi senkte den Kopf. »Mein Leben liegt in der Hand dessen, welcher der Ursprung ist und das Ende.« Doch dann richtete er sich wieder auf. »Werdet Ihr das für mich tun, für mich und für alle, die in der Judenstadt leben?«
    Doktor Balthasar hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Vielleicht habt Ihr recht, mein Freund, mir fällt auch keine andere Lösung ein. Also gut, ich werde alles genau so tun, wie Ihr gesagt habt.«
    »Gebt mir die Hand darauf«, sagte der Rabbi. Er streckte die Hand aus, der Doktor legte die seine hinein und sagte: »Gott möge Euch und Euer Volk beschützen und Unheil von der Judenstadt und von ganz Prag abwenden«, und der Rabbi sagte: »Amen.«
    Im Frauenschiff flüsterte Schmulik: »Wir müssen hier raus, schnell, bevor sie merken, dass wir sie belauscht haben. Beeil dich!« Lautlos schlichen sie auf demselben Weg zurück, auf dem sie gekommen waren.
    Sie hatten die Synagogentür gerade leise hinter sich zugezogen und standen auf der Gasse, da hörten sie noch, wie die beiden Männer in den Vorraum kamen und sich voneinander verabschiedeten.
    Die Jungen wandten sich nach links, gingen um die Altneuschul herum, um dem Diener Doktor Balthasars auszuweichen. Unten, neben dem Haus des Schusters, stand immer noch Josef und hielt Wache.
    Schweigend gingen die Jungen nebeneinanderher. »Glaubst du, dass der Hohe Rabbi Löw magische Kräfte hat?«, fragte Jankel

Weitere Kostenlose Bücher