Golem stiller Bruder
dieser wollte nicht kommen. Inzwischen war es spät geworden, sehr spät. Hinter dem Fenster, an einem sternklaren Himmel, stand der sichelförmige Mond zwischen grauen Wolken und warf sein blasses Licht in die Kammer und über das Lager, in dem sich der Junge aufgesetzt hatte und lauschte, aber es waren nicht die Geräusche von draußen, denen seine Aufmerksamkeit galt, die gelegentlichen Schritte, die in der Nacht besonders laut hallten, das Heulen einer Katze oder eines Hundes, die fernen Rufe von Nachtvögeln, er wartete auf etwas anderes.
Da war es auch schon. Die Angeln knirschten, als die Haustür geöffnet wurde, die Tür klappte laut zu, dann folgten die schweren Schritte im Flur. Jankel spürte, dass ihm ein Schauer über den Körper lief, ihn fröstelte, die Härchen auf seinen Armen richteten sich auf und seine Kopfhaut zog sich zusammen. Er tastete nach der wollenen Decke, die ihn des Nachts wärmte, und wickelte sich fester hinein.
Die Schritte stampften nun die Treppe hinauf, die unter dem Gewicht ächzte und stöhnte, und als das Ächzen und Stöhnen aufhörte und ein dumpfes Vibrieren an seine Ohren drang, wusste er, dass Josef nun die schmale Stiege zum Dachboden hinaufging. Einen Moment lang war nichts zu hören, er musste jetzt oben angekommen sein, dann knarrte die Tür zur Bodenkammer, ein Mal, als sie aufgezogen, und ein zweites Mal, als sie zugeschoben wurde, bevor sie mit einem Knall ins Schloss fiel. Danach war es still.
Der Junge wartete, er lauschte noch immer angespannt, er wusste, dass das abendliche Ritual noch nicht zu Ende war. Und tatsächlich – es dauerte nicht lange, bis Rabbi Löw sein Studierzimmer verließ, die Treppe herunterkam, den Riegel vor die Haustür legte und dann, wie jeden Abend, zur Bodenkammer hinaufstieg. Kurze Zeit darauf verließ er diese wieder, um in sein Studierzimmer zurückzukehren, wo er oft noch lange in den heiligen Büchern las oder an seinen Kommentaren schrieb.
Jeden Abend spielte sich das so ab, seit Jankel im Haus des Rabbis wohnte. Abend für Abend wartete er darauf, als würde er von einer geheimnisvollen Macht dazu gezwungen, so lange wach zu bleiben, bis dieses Ritual abgelaufen war. Doch auch danach machte er oft kein Auge zu und warf sich schlaflos herum. Zu Hause, in Mo ř ina, war der Schlaf leicht und schwerelos zu ihm gekommen, der Schlaf, der ihn hier zu meiden schien.
Er betete inbrünstig das Gebet, das er von seinem Vater gelernt hatte: Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott; du regierst die Welt. Du legst den Schlaf in meine Augen, Schlummer auf meine Augenlider. Möge es dein Wille sein, Ewiger, mein Gott und Gott meiner Väter, dass ich mich zufrieden zur Ruhe lege und zufrieden wieder aufstehe, dass meine Gedanken, böse Träume oder übles Grübeln mich nicht beunruhigen. Mein Lager sei vollkommen vor dir. Gepriesen seist du, Ewiger, du erleuchtest die ganze Welt durch deine Gegenwart.
Er versuchte, sich auf das Gebet zu konzentrieren, dennoch schweiften seine Gedanken ab und tollten wie wilde Pferde durch seinen Kopf, und das laute Klopfen seines Herzens war wie das Echo ihrer Hufe, die über das Feld donnerten. Dann wieder schlichen sie lautlos wie Katzen die Stufen hinauf, ohne dass er sie zurückhalten konnte, sie gehorchten ihm einfach nicht. Immer wieder schlüpften sie aus seinem Kopf und strebten hinauf zur Bodenkammer, in der Josef schlief.
I ch bin mir nicht sicher, ob es nur an Josef lag, dass ich mich abends, wenn es dunkel wurde, im Haus meines Onkels so unbehaglich fühlte und nicht einschlafen konnte, obwohl ich doch nach einem langen Tag Arbeit Grund genug gehabt hätte, müde zu sein, aber so war es nun einmal: Abends konnte ich nicht einschlafen, und morgens fiel es mir schwer, aufzustehen, und das wurde von Tag zu Tag schlimmer. Ich spürte selbst, dass es meinen Körper schwächte und meinen Geist verwirrte. Alle sagten, wie blass ich sei, Tante Perl kochte mir Tag für Tag ein Gebräu aus Malz und Kräutern, das mich stärken sollte, und Jente schob mir immer wieder einen Leckerbissen zu, mal eine gefüllte Teigtasche, dann einen geräucherten Fisch oder ein mit Honig gesüßtes Schmalzgebäck. Und sogar Mendel hatte gesagt, ich würde von Tag zu Tag hohläugiger werden, er wage es fast nicht, mir körperlich schwere Arbeit zuzuweisen.
Bei Tage, in Mendels Backstube und bei den häufigen Streifzügen, die ich nach der Arbeit mit Schmulik unternahm, vergaß ich mein Unbehagen, das Leben in Prag
Weitere Kostenlose Bücher