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Golem stiller Bruder

Golem stiller Bruder

Titel: Golem stiller Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Feinde den Sieg davontragen. Wenn der Herr zurückkommt, soll er sein Haus so vorfinden, wie er es vorzufinden wünscht. Macht euch an die Arbeit!« Und zu Jankel gewandt, fügte sie hinzu: »Geh, Junge, geh und sage dem Bäcker, er kann unbesorgt sein, er wird sein Geld bekommen.«
    Jankel ergriff den Korb und verließ das Haus des Jammers. Er nahm wieder den Hintereingang und sah gerade noch ein paar armselige Gestalten, Bettler, die sich um die Gänse prügelten und sich dann mit ihrer Beute davonmachten. Bedrückt und niedergeschlagen ging er seines Wegs, und der nun leere Korb erschien ihm auf dem Rückweg schwerer als auf dem Hinweg, ihm war, als trüge er darin die ganze Last, die auf dem Haus Reb Meisls ruhte.
    Seine Arme und seine Beine schmerzten und seine Hände waren klamm und steif, als er in der Backstube ankam. Sie war leer. Er stellte den Korb neben dem Brotgestell ab und ging hinüber in die Küche.
    Dort saßen sie, Anschel, Schmulik, Mendel und Malke und ihre Töchter. Sogar Lea war da, die Älteste, die sonst selten auftauchte, wenn Männer im Haus waren. Gittel und Fejgele hatten verweinte Augen und hielten sich an den Händen und alle hatten bedrückte Gesichter, man sah ihnen an, dass sie schon Bescheid wussten. Nachrichten, vor allem schlechte, verbreiteten sich in der Judenstadt so schnell, als hätten sie Flügel, jedenfalls schneller, als ein Mensch sie zu Fuß verbreiten konnte.
    Jankel setzte sich zu ihnen und erzählte ihnen alles, was er gesehen hatte, und auch das, was er in Reb Meisls Haus erfahren hatte. Sogar die Gänse ließ er nicht aus. Fejgele weinte laut und Gittel wischte ihr die Tränen von den Wangen.
    Als der Junge mit seinem Bericht fertig war, stand Mendel auf. »Geht jetzt nach Hause«, sagte er mit einer müden Stimme. »Wir treffen uns heute Abend zum Gebet in der Synagoge, der Hohe Rabbi wird bestimmt alle zu einem Bittgottesdienst rufen lassen.«
    Schmulik und Jankel liefen noch ein Stück Wegs nebeneinander her. »Es ist also wieder so weit«, sagte Schmulik.
    »Was meinst du damit?«, fragte Jankel.
    »Sie beschuldigen uns immer wieder, wir würden christliche Kinder töten, um ihr Blut und ihr Fleisch für rituelle Handlungen zu benutzen. Wie oft haben sie die Juden schon beschuldigt, ein Kind getötet zu haben, angeblich weil sie sein Blut für Matzen brauchten, unzählige Juden sind deshalb umgebracht worden. Wenn die Christen ein totes Kind finden oder wenn ein Kind auch nur verschwunden ist, heißt es sofort, die Juden sind schuld, die Juden haben das Kind umgebracht. Ritualmord nennen sie das. Immer werden die Juden angeklagt. Manchmal ist das Kind einfach weggelaufen und kommt ein paar Tage später wieder nach Hause, aber die Juden sind dann schon tot und niemand kann sie wieder lebendig machen.«
    »Der Ewige, gelobt sei er, stehe uns bei in unserer Not«, sagte Jankel, wie seine Tante Schejndl es gesagt hätte. »Er ist es, von dem Hilfe kommt.«
    Schmulik warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Er hätte uns die Not auch ersparen können. Fragst du dich nie, warum er das nicht tut? Warum er ausgerechnet uns, seinem Volk, das er auserkoren hat und das er angeblich liebt, nicht das kleinste bisschen Leid erspart?«
    Jankel erschrak und überlegte, ob er den Freund vielleicht missverstanden hatte, doch bevor er etwas sagen konnte, war Schmulik schon weggelaufen, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Auch zu Hause wussten sie Bescheid. Perl, die alte Tante, saß am Tisch und las Verse aus dem Buch Hiob und Jentes Augen waren rot vom Weinen. »Der Rabbi wartet auf dich«, sagte sie.
    Jankel ging sofort hinauf zum Studierzimmer. Etwa zehn, zwölf Männer hatten sich dort versammelt, einflussreiche Juden, von denen er die meisten zumindest vom Sehen kannte. Alle schauten ihn erwartungsvoll an, als er eintrat.
    »Da bist du ja, Jankel«, sagte der Hohe Rabbi. »Hör zu. Wir bitten dich, zu meinem Freund Doktor Balthasar zu gehen. Außer ihm gibt es keinen, der jetzt herausfinden kann, wo man Reb Meisl hingebracht hat und was man ihm vorwirft, und vor allem, wer hinter der Anzeige steckt, denn es muss ihn ja jemand angezeigt haben. Sage Doktor Balthasar, wir brauchen seine Hilfe, wir flehen ihn an, um der Gnade des Ewigen willen.«
    Jankel hob die Schultern.
    »Du bist der Einzige, den wir schicken können«, sagte der Hohe Rabbi mit einer so weichen Stimme, wie Jankel sie noch nie von ihm gehört hatte. »Du fällst nicht auf, weder unter Juden noch unter Christen. Das

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