Golem stiller Bruder
ihrer rauen Stimme, die Jankel immer berührte wie die tiefen Töne einer Fiedel und den Wunsch in ihm weckte, sie möge nie aufhören zu sprechen.
Schmulik sprang so heftig von seinem Stuhl auf, dass dieser umfiel, und rannte aus der Küche. Fejgele schaute ihm nach, mehr gekränkt als verwundert, und ihre Augen wurden feucht.
»Nein, Fejgele, wir brauchen nichts mehr«, sagte Anschel ungewöhnlich weich und hob den Stuhl auf. »Komm, Jankel, wir gehen wieder an die Arbeit.«
Schließlich war das Dutzend zusätzlicher Brote, für die sie so schwer gearbeitet hatten, fertig gebacken und Mendel schoss sie aus. Er klopfte auf die Rückseite eines jeden Laibes, um zu horchen, ob er auch gut durchgebacken war, bevor er ihn in einen hohen Henkelkorb aus geflochtenen Weidenzweigen legte.
»So, Jankel«, sagte er mit einem schnellen Blick in Schmuliks Richtung, »heute lieferst du das Brot aus. Du weißt doch, wo Reb Meisl wohnt, nicht wahr?«
Jankel nickte, das wusste schließlich jeder, der in der Judenstadt lebte.
»Gut«, sagte Mendel. »Nimm den Hintereingang und sage der Köchin, sie möge beim Bezahlen das Weizenmehl nicht vergessen.«
Jankel zog seine Schürze aus, wusch sich am Brunnen Gesicht und Hände und klopfte, so gut es ging, das Mehl aus seiner Kleidung, rückte seine Kipa zurecht, nahm den Korb und machte sich auf den Weg. Von weitem sah er Josef, der um die Ecke der Belelesgasse bog, ansonsten kamen ihm die Gassen seltsam menschenleer vor, aber er schenkte dieser Tatsache keine besondere Beachtung, er hatte genug mit sich und seiner Last zu tun, denn der Korb war sehr schwer.
I ch dachte an Mendel. »Ein Fest«, hatte er morgens, als wir mit der Arbeit begannen, in bitterem Ton gesagt. »Ein Fest. So etwas können sich nur reiche Leute leisten. Er kann sein Geld für sich selbst ausgeben, er hat keine Kinder, die er versorgen muss.« Doch dann hatte er sich gleich auf den Mund geschlagen. »Was rede ich da! Der Ewige, gelobt sei er, möge es mir nicht anrechnen! Der Reichtum dreht sich wie ein Rad um die Welt, Kinder aber sind ein Segen für die Ewigkeit. Reb Meisl verdient unser Mitgefühl, denn nur durch Nachkommen reihen wir uns ein in das Band der Generationen. Kann sein Geld etwa dereinst an seinem Grab den Kaddisch sprechen?«
Darüber dachte ich nach, während ich durch die Gassen Richtung Dreibrunnenplatz ging. Von weitem sah ich Josef um die Ecke biegen. Der Korb wurde schwerer und schwerer, es half auch nichts, dass ich den Henkel mal in die eine, mal in die andere Hand nahm, allmählich hatte ich das Gefühl, als würden mir die Arme vom Rumpf gerissen. Deshalb hob ich den Korb auf meine Schulter. Doch nun drückte mir die Last den Kopf nach unten, ich sah nur noch das Pflaster, die Grashalme, die zwischen den Quadersteinen herausdrängten, da und dort ein faules Salatblatt, Spatzen, die im Abfall pickten, das Ende eines abgerissenen Seils, eine Maus, die über das Pflaster huschte, den von Fliegen umschwärmten Kot von Pferden oder Eseln.
Plötzlich stieß ich gegen ein Hindernis, ich schwankte, der schwere Korb rutschte von meiner Schulter und fiel krachend zu Boden, Brotlaibe rollten über das Pflaster. Erschrocken bückte ich mich, um sie einzusammeln. Ich streckte die Hand aus. Da schob sich eine andere Hand neben meine, eine große Hand, der hochgerutschte Ärmel gab den Blick auf ein breites, haarloses Handgelenk frei. Auch der Handrücken und die Fingerglieder waren groß, unbehaart und seltsam glatt.
Ich hob den Kopf, mein Blick wanderte an der schweren Gestalt nach oben, aber ich hätte, auch ohne in sein Gesicht zu blicken, gewusst, dass es Josef war. Ich sah in diese schrecklichen Züge, die menschenähnlich waren und doch nicht menschlich, mir aber inzwischen nicht mehr fremd waren. Und auf einmal veränderte sich das Bild vor meinen Augen, auf der glatten Haut der Wangen und des Kinns wuchs ein Flaum, der das Gesicht weicher erscheinen ließ, um die Augen bildeten sich Fältchen, die Stirn furchte sich, und auch von den breiten Nasenflügeln zu den Mundwinkeln entstanden Falten. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich schwören können, dass Josef lächelte. Doch da war das Bild auch schon vorbei, als hätte es jemand mit der Hand einfach weggewischt, ich sah wieder Josefs ausdrucksloses Gesicht vor mir und senkte verwirrt den Kopf.
Gemeinsam packten wir den Korb voll, und Josef half mir, ihn wieder auf die Schulter zu heben. »Danke, Josef«, sagte ich, aber er
Weitere Kostenlose Bücher