Golem stiller Bruder
Ende gesprochen, da wurde es plötzlich wieder hell um sie, der Tag war zurückgekommen. Die Pferde beruhigten sich, der Rabbi stieg ein und der Kutscher fand alsbald den richtigen Weg aus dem Wald. Noch vor Einbruch der Nacht erreichten sie Prag und Rabbi Jizchak kehrte wohlbehalten in sein Haus zurück.
Aber er vergaß den Vorfall nicht. Er grübelte und grübelte, wer wohl der zukünftige Besitzer dieses Reichtums sein mochte, aber niemand fiel ihm ein. Um es herauszufinden, griff er zu einer List. Er wickelte jedes der drei Goldstücke in ein Blatt Papier und ließ am nächsten Morgen eines der Päckchen aus dem Fenster seines Hauses auf die Straße fallen. Dort lag es abends immer noch, obwohl viele Menschen daran vorbeigegangen waren. Erst als es bereits dämmerte, kam plötzlich ein ärmlich gekleideter, barfüßiger Junge herbeigelaufen, ergriff das Goldstück und verschwand so rasch, wie er gekommen war. Rabbi Jizchak schaute ihm verblüfft nach.
Am Tag darauf stellte er das Schicksal wieder auf die Probe, und siehe da, es war derselbe Junge, der angelaufen kam und das Goldstück holte, und am dritten Tag geschah das Gleiche, der arme Junge hob auch das dritte Goldstück auf und war verschwunden, bevor der Rabbi hinunterlaufen und ihn zurückhalten konnte.
Der Rabbi dachte: Dieser Junge, der jetzt aussieht wie ein Bettler, wird eines Tages also den ganzen Reichtum bekommen, und er wollte wissen, wer der Junge war und ob er es wirklich verdiente, so sehr in der Gunst des Ewigen zu stehen. Deshalb ließ er überall verkünden, er habe drei Goldstücke verloren, der Finder möge sie, wenn er ein ehrlicher Mensch sei, seinem rechtmäßigen Besitzer zurückbringen.
Es dauerte wirklich nicht lange, da erschien der Junge. Er erzählte dem hohen Herrn, ihm sei jedes Mal im Traum ein Mann erschienen, der ihm befohlen habe, da und da hinzugehen und ein Päckchen aufzuheben, das dort liege, und er habe diese Anweisungen befolgt. Doch nun tue es ihm leid, dass er dadurch dem Rabbi Schaden zugefügt habe.
Mit diesen Worten zog er zwei Goldstücke hervor und hielt sie dem Rabbi hin. ›Eines davon habe ich schon meiner Mutter gegeben‹, sagte er bedauernd. ›Ihre Geschäfte gehen nicht gut, und mein Vater, der Ewige schenke ihm ein langes Leben, ist erblindet, deshalb muss sie ganz allein den Unterhalt für uns alle verdienen. Aber sie wird Euch das Goldstück bestimmt zurückgeben, sobald sie genug Geld gespart hat.‹
Rabbi Jizchak blickte ihn freundlich an und sagte: ›Wäre es nicht klüger gewesen, du hättest die drei Goldstücke behalten? Es hat dich doch keiner gesehen.‹
Der Junge wies diesen Gedanken empört von sich. ›Aber das wäre doch unrecht! Davor möge mich der Ewige, gelobt sei er, bewahren. Hat nicht Moses, unser Lehrer, ausdrücklich befohlen, selbst einem Feind sein verlorenes Lamm zurückzubringen? Ich will lieber gottesfürchtig und arm sein als mich auf unrechtmäßige Weise bereichern. Hier, nehmt Eure Goldstücke.‹
Da wusste der weise Rabbi Jizchak, dass es der Prophet Elijahu gewesen sein musste, der dem Jungen im Traum erschienen war und ihn geschickt hatte, die Goldstücke zu holen. Und er wusste auch, dass dieser so armselig aus sehende Knabe die Gunst dessen, der Ursprung und Ende ist, wirklich verdiente. Er fragte ihn nach seinem Namen und dem Namen und Beruf seines Vaters.
›Ich heiße Mordechaj Meisl‹, sagte der Junge. ›Und mein Vater heißt Scholem. Bevor ihm die Krankheit das Augenlicht raubte, war er Lastenträger.‹«
Schmulik schwieg und hob lauschend den Kopf. Draußen pochte jemand an die Tür des Hauses, die Schläge waren nicht sehr fest, schienen aber in der Stille zu dröhnen wie Donner. Die beiden Jungen sprangen auf und liefen hinaus auf den Gang, Jente folgte ihnen mit dem Licht. Jankel riss die Tür auf. Es war Doktor Balthasar mit seinem Diener Pavel, der jetzt die Laterne senkte und löschte. Beide Männer traten ein, Pavel nahm seinem Herrn Umhang und Hut ab und hängte beides an einen Haken, neben den Umhang und den Hut des Hohen Rabbis.
Dieser kam gerade die Treppe herunter, um seinen gelehrten Freund zu empfangen. Die beiden Männer umarmten sich schweigend und mit ernsten Gesichtern. »Friede sei mit Euch«, sagte der Rabbi schließlich, »ich hätte nicht geglaubt, Euch so bald wiederzusehen.«
»Auch mit Euch sei Friede«, antwortete Doktor Balthasar. »Ich wünschte, der Anlass zu unserem Wiedersehen wäre erfreulicher.«
»Habt Ihr
Weitere Kostenlose Bücher