Golem stiller Bruder
Hunger?«, fragte der Rabbi. »Darf ich Euch etwas anbieten?«
Doktor Balthasar schüttelte den Kopf, seine Miene verfinsterte sich. »Ich habe mit meinem Vetter gegessen, dem kaiserlichen Hofrichter, aber wenn Pavel vielleicht etwas bekommen könnte? Er hat heute Abend stundenlang auf mich warten müssen.«
Der Rabbi nickte Jente zu, sie ging dem Diener voraus in die Küche, und der Rabbi ergriff den Arm seines Freundes und führte ihn zur Treppe. Dort drehte er sich noch einmal um. »Komm mit, Jankel, du sollst auch hören, was Doktor Balthasar herausgefunden hat, du hast es dir verdient, du hast bereitwillig Aufgaben für die Juden Prags übernommen, und auch du komm mit, Schmulik. Ihr seid alt genug, um alles zu erfahren.«
Zögernd und etwas unsicher folgten die beiden Jungen den gelehrten Männern. Im Studierzimmer war es dämmrig, nur eine Öllampe stand auf dem Tisch, um den vier Männer saßen, die sich jetzt erhoben und vor dem hohen Gast verneigten. Die anderen Männer mussten inzwischen nach Hause gegangen sein. Der Rabbi schob seinem Freund den bequemsten Sessel hin und bedeutete Jankel und Schmulik, sich auf die Bank unter dem Fenster zu setzen, die Bank, auf der Schimon schlief, wenn er im Haus des Rabbis übernachtete.
»Reb Meisl ist in den Kerker des Gerichts gebracht worden«, fing Doktor Balthasar an und die Männer am Tisch seufzten tief. Reb Gerschom ben Schlomo, der Besitzer der berühmten Druckerei und ein Freund Reb Meisls, wiegte den Oberkörper klagend vor und zurück und rang die Hände, und Reb Zemach Kohen, der Goldschmied, schüttelte verzweifelt den Kopf.
»Ich habe dem Kerkermeister etwas zugesteckt«, fuhr Doktor Balthasar fort, »damit er Reb Meisl wenigstens ein richtiges Essen bringt, mehr habe ich nicht tun können, es ist mir nicht gelungen, ihn zu sehen. Aber immerhin habe ich erfahren, wem der Fall untersteht, nämlich dem kaiserlichen Richter Graf Černý, der zufällig ein Vetter zweiten oder dritten Grades von mir ist. Ich kann nicht sagen, dass unsere verwandtschaftlichen Beziehungen besonders eng sind, trotzdem habe ich ihn sofort aufgesucht und mich nach den Einzelheiten von Reb Meisls Festnahme erkundigt.«
Doktor Balthasar schwieg, die Flamme der Öllampe auf dem Tisch flackerte unter den heftigen Atemstößen der Ältesten.
»Er wollte es mir erst nicht sagen«, sprach Doktor Balthasar weiter. »Doch nach einigem Hin und Her habe ich schließlich alles aus ihm herausbekommen. Die Anklage stammt von einem Gutsbesitzer, Kasimir Boskovicek mit Namen. Er erschien gestern bei Gericht und gab an, Reb Meisl habe eigenhändig ein Christenkind umgebracht, auf einem Feld nicht weit von seinem Gutshof. Zwei seiner Diener hätten den Juden dabei beobachtet, wie er das tote Kind in einen Sack gesteckt und weggetragen hätte, ehrliche, aufrichtige Tschechen, die bereit seien, ihre Aussagen bei Gott zu beschwören, sodass niemand an der Wahrheit ihrer Worte zweifeln könne.«
Reb Gerschom ben Schlomo hob die Hände und rief: » Der Herr ist meine Rettung, ich will ihm vertrauen und niemals zagen. Wisset, die ganze Welt ist eine schmale Brücke, und es kommt darauf an, dass wir uns nicht fürchten .« Er schlug sich die Hände vors Gesicht, und man sah an seinen zuckenden Schultern, dass er weinte.
»Boskovicek hat gesagt, er erfülle nur seine Christenpflicht, wenn er die Sache anzeige«, fuhr Doktor Balthasar fort. »Ich habe mich nach ihm erkundigt, sein Ruf ist sehr zweifelhaft, man sagt, er fröne dem Glücksspiel und sei dem Alko hol nicht abgeneigt. Er habe nicht nur das Vermögen seiner Frau durchgebracht, sagt man, sondern auch sein Gut sei verpfändet, genau genommen gehöre ihm nichts mehr. Niemand weiß, woher er das Geld nimmt, um einen so aufwändigen Lebensstil zu führen.« Doktor Balthasar hob die Hände zu einer Gebärde der Hilflosigkeit, bevor er traurig sagte: »Doch was hilft schon der schlechte Ruf dieses Mannes, wenn er zwei Zeugen hat, die bereit sind zu schwören?«
»Wann wird der Prozess stattfinden?«, fragte der Hohe Rabbi.
»Sehr bald«, antwortete Doktor Balthasar. »Noch in dieser Woche.«
Der dritte Älteste, Rabbi Nachum, der Vorsteher der Pinkas-Synagoge, senkte den Kopf und sagte: »Ich werde fasten und für ihn beten.«
Und der vierte, von dem Jankel nicht wusste, wer er war, weil er mit dem Rücken zu ihnen saß, sagte: »Beten allein reicht vielleicht nicht.« Er drehte den Kopf zu Doktor Balthasar, und jetzt erkannte Jankel, dass
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