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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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erzählst Du mir alles von Anfang bis zum Ende, oder ich rufe hundert Dämonen aus allen sechs Himmelsrichtungen der Erde herbei, damit sie dich bis ans Ende deiner Tage quälen.«
    Arbeely starrte ihn an. »Sapperlot! Könntest du das wirklich?«
    »Arbeely!«
    Schließlich kam die ganze Geschichte heraus. Während der Dschinn zuhörte, verwandelten sich sein Zorn und seine Enttäuschung in glühenden Stolz. Arbeely höchstpersönlich hatte seine verletzte Ehre wiederhergestellt!
    »Ich glaube nicht, dass deine Geschichte vollständig ist ohne eine Entschuldigung«, sagte er, nachdem Arbeely geendet hatte.
    »Ach, wirklich?« Arbeely verschränkte die Arme. »Bitte. Ich würde sie gern hören.«
    »
Ich
soll mich entschuldigen? Du warst es, der die Decke zerstören wollte! Du hast gesagt, dass Maloof sie nicht kaufen wird.«
    »Ich habe gesagt, dass er sie höchstwahrscheinlich nicht kaufen wird, und beinahe hätte er es auch nicht getan. So etwas darf nie wieder passieren. Ich habe zu hart gearbeitet, um dabei zuzuschauen, wie du aufgrund einer Laune meinen Lebensunterhalt verspielst.«
    Der Dschinn wurde wieder zornig. »Unsere Vereinbarung gilt also nach wie vor nicht mehr? Oder lässt du mich zurückkommen, solange ich Töpfe und Bratpfannen flicke?«
    Es war unglaublich, aber Arbeely grinste. »Nein, verstehst du denn nicht? Das war mein Fehler von Anfang an. Maloof hat gesehen, was ich nicht gesehen habe – du bist kein Lehrling, sondern ein Künstler! Ich habe darüber nachgedacht und eine Lösung gefunden. Von jetzt an bist du mein voller und gleichberechtigter Partner im Geschäft.« Er hielt inne und wartete auf eine Reaktion. »Und? Klingt das nicht sinnvoll? Ich kann mich um die alltäglichen Finanzen, die Buchhaltung und so weiter kümmern. Wir legen einen bestimmten Betrag für dein Material fest, und du kannst die Aufträge übernehmen, die dich interessieren. Die Decke wird Reklame für uns machen. Wir schreiben sogar deinen Namen auf das Schild. Arbeely und Ahmad!«
    Verblüfft versuchte der Dschinn seine Gedanken zu ordnen. »Aber – was ist mit den Aufträgen, die wir schon angenommen haben?«
    Arbeely winkte nonchalant ab. »Du kannst mir helfen, wenn du zwischendurch Zeit hast, wenn du gerade nicht mit eigenen Aufträgen beschäftigt bist. Natürlich nur wenn du Lust hast.«
    Während der nächsten Stunde schmiedete Arbeely Pläne – irgendwann würden sie eine größere Werkstatt brauchen, und sie mussten natürlich auch an Anzeigen denken –, und allmählich wurde der Dschinn von Arbeelys Begeisterung angesteckt. Er begann sich eine eigene Werkstatt voller Schmuck und Figürchen vorzustellen, phantastische Dekorationen aus Gold und Silber und funkelnden Steinen. Doch später am Abend, nachdem Arbeely endlich gegangen war, schlich sich ein leises Unbehagen in seine Gedanken. War das wirklich, was er wollte? Er war aus Verzweiflung Arbeelys Lehrling geworden, weil er ein Obdach in dieser fremden Stadt brauchte. Und einen Anteil am Geschäft besitzen – das bedeutete Verantwortung und Beständigkeit.
    Wir schreiben sogar deinen Namen auf das Schild
, hatte Arbeely gesagt. Aber Ahmad war nicht sein Name. Er hatte ihn aus einer Laune heraus gewählt, ohne im Traum daran zu denken, dass er sich eines Tages damit identifizieren müsste. War es das? War er jetzt Ahmad und nicht mehr sein wahres Selbst, dessen Namen er nicht mehr aussprechen konnte? Er versuchte, sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal, ohne nachzudenken, die Gestalt geändert hatte. Seine Reflexe vertrauten jetzt auf Muskeln und Sehnen, er ging mit großen Schritten über Hausdächer, benutzte die Werkzeuge eines Kupferschmieds – Werkzeuge aus Stahl, die er einst nie hätte berühren können.
    Im stillen nannte er sich seinen Namen, und sein Klang beruhigte ihn. Er war schließlich noch immer ein Dschinn, gleichgültig wie lang er die eiserne Schelle um sein Handgelenk tragen müsste. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er zwar gezwungen sein mochte, wie ein Mensch zu leben, dass er jedoch nie und nimmer ein Mensch sein würde.

Kapitel  17
    A n einem wolkenlosen tintenblauen Abend, an dem der Mond als Sichel am Himmel hing, gingen der Golem und der Dschinn auf den Dächern der Prince Street spazieren. Der Golem war noch nie zuvor auf einem Dach gewesen. Sie protestierte kurz, als der Dschinn vor ihrer Pension ankam und ihr Ziel bekannt gab. »Aber ist es dort oben nicht gefährlich?«
    »So gefährlich wie

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