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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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der Gasse neben ihrer Pension angelangt. »Wir gehen wieder hin, wenn es wärmer ist«, sagte er.
    Sie lächelte. »Das würde ich sehr gern tun. Danke.« Sie nahm seine Hand und drückte sie fest mit ihren kühlen Fingern. Und dann war sie wie immer verschwunden, und er ging allein nach Hause durch die dunstverhangenen morgendlichen Straßen.

Kapitel  18
    P essach dauerte an, und eine einzige große Sehnsucht schwebte über der Lower East Side: jeden verlangte es nach einem süßen Stückchen, einem Bagel, irgendetwas, was nicht Matze war. Als die Feiertage endlich vorbei waren, strömte das ganze Viertel erleichtert in die Bäckereien. Da sie wusste, dass bei ihren morgendlichen Einkäufen mit Tumulten zu rechnen war, nahm die Köchin des Wohnheims Joseph Schall mit zu Shimmel, ihrem neuen Bäcker, damit sie so viele Brote wie möglich kaufen konnten. Michael hatte den Wechsel von Radzin zu Shimmel mit besseren Arbeitsbedingungen und der Unterstützung junger Unternehmen gerechtfertigt; doch die Köchin erinnerte sich an die Mandelmakronen, bemerkte Michaels düstere Stimmung und stellte nicht viele Fragen.
    An diesem Tag aber war Shimmel überlaufen. Die Schlange reichte bis weit vor die Tür; im Inneren rannten die Angestellten hektisch hin und her, suchten nach Zutaten und rollten hastig Teig aus oder entschuldigten sich bei verdrossenen Kunden, deren Lieblingsgebäck bereits ausverkauft war. Die Köchin steckte den Kopf hinein, runzelte die Stirn und kam wieder heraus. »Wir gehen zu Radzin«, sagte sie zu Schall. »Michael wird den Unterschied nicht merken.«
    Yehudah Schaalman hätte es nicht gleichgültiger sein können, in welcher Bäckerei sie das Brot kauften. Die Anstrengung, sich als freundlicher alter Joseph Schall auszugeben, forderte seinen Tribut. Er war in jeder Synagoge, in jeder Jeschiwa, an jedem Ort jüdischer Gelehrsamkeit gewesen, den er finden konnte, und war seinem Ziel, dem Geheimnis ewigen Lebens, keinen Schritt näher gekommen. Kein einziges Mal hatte er den Sog seines Zaubers gespürt, obwohl er zweifelsfrei wusste, dass er funktionierte. War er etwa nach New York gekommen, um Botengänge zu erledigen und Gezänk in den Schlafsälen zu schlichten? Seit einem Monat biss er jetzt die Zähne zusammen, und er würde es auch weiterhin tun, weil er keine andere Wahl hatte. Er hatte nur diesen einen Trumpf in der Hand; und er würde ihn immer wieder spielen, bis er gewonnen hätte oder daran gestorben wäre.
    Mit so viel Eifer, wie er vortäuschen konnte, folgte er der Köchin durch die nassen Straßen, die voller Menschen waren. Die Schlange vor Radzin war nicht kürzer, aber immerhin bewegte sich etwas. Im Inneren blieb er neben der Tür stehen, misstrauisch gegenüber den vielen Leuten. Die Bäckerei war überfüllt mit Menschen, die Fenster waren mit ihren dampfenden Ausdünstungen beschlagen, die Luft war feucht und zum Schneiden. Schaalman begann in seiner wollenen Jacke zu schwitzen. Zumindest waren die arbeitenden Mädchen ein erfreulicher Anblick. Sie bewegten sich schnell wie Maschinen, besonders das große Mädchen, das am vorderen Tisch Teig ausrollte, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Ihre Hände faszinierten ihn. Sie bewegten sich ohne Unterlass, ohne eine überflüssige Geste. Er blickte zu ihrem Gesicht – ein unauffälliges Mädchen, doch irgendwie kam sie ihm bekannt vor –
    Er verspürte ein heftiges, beharrliches Ziehen, als der Zauber seine Wirkung tat. Und in diesem Augenblick erkannte er sie.
    Das Mädchen schaute erschrocken auf. Ihr Blick schweifte verwirrt über die Menge, als wüsste sie nicht genau, wonach sie Ausschau halten sollte.
    Doch Schaalman war bereits zur Tür hinausgeschlüpft. Er zwang sich, die Ruhe und einen kühlen Kopf zu bewahren, bis er das Ende des Blocks erreicht hatte. Dort lehnte er sich zitternd an eine Mauer.
    Sein Golem!
Der Golem, den er für Rotfeld erschaffen hatte. Sie war hier in New York! Er hatte geglaubt, dass sie auf irgendeiner Müllkippe verrottete – hatte Rotfeld sie auf dem Schiff zum Leben erweckt, bevor er starb? Er musste es getan haben; dumm genug war er auf alle Fälle gewesen. Und jetzt lief sie ohne Meister durch die Straßen von New York, ein Klumpen Lehm mit Zähnen und Haaren, ein gefährliches Geschöpf, das wie eine Frau aussah. Und Schaalman hatte keine blasse Ahnung, was das zu bedeuten hatte.

    Das Gefühl dauerte nur einen winzigen Augenblick an; jemand hatte sie
gesehen
, ihr ins Herz

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