Golem und Dschinn: Roman (German Edition)
und versuchte, sich auf die Erschaffung von etwas Schönem zu konzentrieren.
Michael Levy erwachte langsam im matten Licht des Morgens. Die andere Hälfte des Bettes war abgesehen von Laken und der Tagesdecke leer. Er schloss die Augen und horchte auf seine Frau: Sie hantierte in der Küche. Es war ein tröstliches Geräusch, ein Geräusch aus seiner Kindheit. Es roch sogar nach frisch gebackenem Brot.
Er ging in die winzige Küche. Sie stand neben dem Ofen in ihrem neuen Hauskleid und blätterte in ihrem amerikanischen Kochbuch. Er schlang die Arme um ihre Taille und küsste sie. »Konntest du wieder nicht einschlafen?«
»Nein, aber das macht nichts.«
Sie litt offenbar schon ihr ganzes Leben lang unter Schlaflosigkeit und behauptete, daran gewöhnt zu sein; und in der Tat sah sie wacher aus, als er sich fühlte. Er an ihrer Stelle wäre tot. Eine erstaunliche Frau.
Er konnte noch immer nicht glauben, dass sie verheiratet waren. Nachts lag er neben ihr, strich mit den Fingern über ihren Bauch bis zu ihren Brüsten und Armen und wunderte sich, wie gründlich sich sein Leben verändert hatte. Er liebte es, wie sich ihre Haut anfühlte – immer
kühl
, obwohl die Tage drückend heiß waren. »Wahrscheinlich ist es wegen der Öfen in der Bäckerei«, hatte er einmal gesagt. »Dein Körper hat sich an die Hitze gewöhnt.« Sie hatte verlegen gelächelt und gesagt: »Da hast du vermutlich recht.«
Sie war oft befangen, seine Frau. Häufig aßen sie schweigend oder nahezu wortlos. Sie behandelten einander immer noch vorsichtig, waren unsicher, wie sie sich verhalten sollten. Er blickte über den Tisch und fragte sich, ob sie vielleicht zu schnell geheiratet hatten. Würden sie für immer Fremde bleiben? Doch noch bevor er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, fragte sie ihn nach seinem Tag, erzählte ihm eine Begebenheit aus der Bäckerei oder langte einfach über den Tisch und drückte seine Hand. Dann bemerkte er, dass es genau das gewesen war, was er gebraucht hatte, und fragte sich, woher sie es immer wusste.
Dann war da noch die Schlafzimmersache. Ihre Hochzeitsnacht hatte nur sehr zaghaft begonnen; er war sich bewusst, dass sie als zum zweiten Mal verheiratete Frau wesentlich erfahrener war als er. Doch was mochte sie? Was
gefiel
ihr? Er hatte keine Ahnung, wie er sie danach fragen sollte, und schon gar nicht den Mut. Was, wenn sie sich etwas Ausgefallenes, sogar Erschreckendes wünschte? Nach ein paar Bier gaben seine Freunde mit ihren exotischen Nächten mit »emanzipierten« Mädchen an, doch er selbst war nie besonders phantasievoll gewesen. Vielleicht war das ein Manko, vielleicht war sie von ihm enttäuscht.
Wenn das der Fall war, dann sagte sie es nicht. Sie schien seine Unsicherheit zu verstehen – da war wieder dieses
Wissen
– und hatte ihn mit ihrer gewohnten Ruhe und Ausgeglichenheit zum Akt geführt. Wenn ihr Sex auch etwas zu sehr wie Arbeit war – und er danach nicht wusste, ob auch sie Vergnügen daran gefunden hatte –, so war er doch froh, dass er überhaupt stattgefunden hatte.
Und dann, eines Nachts ungefähr eine Woche später, schien sie irgendwie überrascht und drückte eine Hand zwischen ihre Körper und gegen eine bestimmte Stelle. Zu Michaels größtem Bedauern war er daraufhin erstarrt, weil seine orthodoxe Erziehung sich lauthals bemerkbar machte und darauf bestand, dass es
unanständig
und ungebührlich war für eine Frau – und sie hatte ihre Hand langsam weggezogen und sie wieder auf seinen Rücken gelegt.
Er konnte später nicht mit ihr darüber sprechen. Er konnte es einfach nicht. Er versuchte einmal zu wiederholen, was sie getan hatte; doch sie nahm seine Hand und schob sie weg, und damit hatte es sich.
Bereits jetzt gab es also unausgesprochene Dinge zwischen ihnen. Aber er liebte sie, davon war er überzeugt. Und er wollte gern glauben, dass auch sie ihn liebte. Er stellte sich vor, wie sie in dreißig Jahren sein würden: Ihre Kinder wären erwachsen, sie würden im Bett Händchen halten und darüber lachen, wie unsicher sie gewesen waren, wie vorsichtig sie sich auf Zehenspitzen umrundet hatten.
Aber du hast immer genau gewusst, was ich hören wollte
, würde er zu ihr sagen; und sie würde lächeln und den Kopf an seine Schulter schmiegen, beide wären vollständig miteinander vertraut.
Irgendwann wollte er sie nach diesen Dingen fragen. Er würde herausfinden, was sie veranlasst hatte, ihm einen Heiratsantrag zu machen, gerade als er jede Hoffnung
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