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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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Papierstapel gefunden. Nach drei Nächten intensiven Studiums hatte er die Lösung gefunden, ein spezielles Schaubild, das man in ein Amulett zeichnete und um den Hals trug. Da er jedoch kein Amulett zur Hand und keine Möglichkeit hatte, eins herzustellen, hatte er beschlossen, sich das Bild in die Innenseite seines Unterarms zu ritzen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es ein angenehmes Unterfangen würde, dennoch hatte ihn der heftige Schmerz erschreckt, es fühlte sich an, als würde das Messer durch seinen Körper hindurch direkt in seine Seele schneiden. Den nächsten Tag verbrachte er im Bett, sein Arm pochte, Wellen von Übelkeit überrollten ihn. Aber es hatte sich gelohnt! Jetzt konnte er ihr folgen, ohne entdeckt zu werden, und musste sich keine Sorgen machen, sollte Levy seine Frau unerwartet mit ins Wohnheim bringen.
    Eines Tages werde ich dich zerstören
, dachte er, so laut er konnte in Richtung des Golems – doch sie stand nur da und hörte dem schwitzenden Friedensrichter zu, der auf Englisch schwadronierte. Hin und wieder lächelte Levy seine Braut nervös an; sie dagegen blickte ernst wie auf einer Beerdigung. Schaalman versuchte sich vorzustellen, was die Leute über sie dachten.
Eine nüchterne Frau
, vermutete er.
Still. Hat keinen Sinn für Scherze oder Frivolitäten.
Als wären es menschliche Charakterzüge und nicht die äußeren Anzeichen ihres Wesens, ihrer Beschränkungen. Es war bemerkenswert, dass sie es so weit geschafft hatte, ohne aufzufallen. Und der Dummkopf Levy hatte sich auch noch in sie verliebt.
    Der Richter hob die Stimme, um etwas zu verkünden – Schaalman verstand die Worte
Mann und Frau
 –, dann folgten Applaus und Lachen, als Levy das weiß gekleidete Geschöpf in die Arme nahm und küsste. Der Richter lächelte knapp und wandte sich ab, seine Arbeit war getan.
    Schaalman lachte mit den anderen und freute sich über sein geheimes Wissen. In ein, zwei Tagen, wenn er wieder ganz zu Kräften gekommen wäre, würde die nächste Phase seiner Suche beginnen. Was immer es war, was den Golem mit der Bowery verband, was immer Levys Onkel vor ihm versteckt hatte, er würde es herausfinden. Er spürte das Geheimnis dort draußen in der Stadt, das geduldig darauf wartete, aufgedeckt zu werden.

Kapitel  21
    » M aryam«, sagte Arbeely, »kennst du Nadia Mounsef? Matthews Mutter?«
    Er saß im Kaffeehaus der Faddouls und trank trotz der Hitze eine Tasse brühend heißen Kaffees nach der anderen. Da sie wusste, dass Arbeely nur kam, wenn er über etwas reden wollte, hielt sich Maryam in seiner Nähe auf, polierte die bereits glänzenden Tische, während Sayeed sich um die anderen Gäste kümmerte. Jetzt hielt sie mit dem Tuch in der Hand inne. »Nadia? Wir haben ein paarmal miteinander gesprochen, aber das ist schon eine Weile her. Warum fragst du?«
    Arbeely zögerte. Er wollte nicht mit der Wahrheit herausrücken, nämlich dass ihn das Gesicht der Frau verfolgte. »Ich war vor ein paar Wochen wegen Matthew bei ihr«, sagte er. »Sie war krank. Ich meine, sie sah schon vorher krank aus, aber … es ist schlimmer geworden.« Und er beschrieb ihr die Frau, die die Tür geöffnet hatte: noch dünner, als er sich erinnerte, die Augen stumpf und eingesunken, eine merkwürdige dunkle Verfärbung, nahezu wie ein Ausschlag auf den Wangen und der Nase. Das Kruzifix um ihren Hals – mit drei Querbalken, das Symbol der Orthodoxen – hob und senkte sich sichtbar im Rhythmus ihres schnellen Herzschlags. Sie blinzelte gegen das matte Licht im Hausflur, während ihr Arbeely stockend seine Bedenken erklärte. Matthew war ihnen nicht lästig, im Gegenteil, er war ein hilfsbereiter Junge, und sie hatten ihn gern bei sich in der Werkstatt. Doch das Kind verbrachte auch manche Vormittage bei ihnen, wenn es eigentlich in einem Schulzimmer sitzen sollte. Und falls jemand von der Schulaufsichtsbehörde vorbeikäme … »Ich möchte nicht, dass Matthew Ärger kriegt«, sagte er. »Auch nicht mit seiner Mutter.«
    Sie hatte ihn ganz kurz höflich angelächelt. »Natürlich, Mr. Arbeely. Ich werde mit Matthew sprechen. Danke, dass Sie so viel Geduld mit ihm hatten.« Und bevor Arbeely erklären konnte, dass Geduld nichts damit zu tun hatte – der Junge hatte Talent und wäre ein vielversprechender Lehrling –, schloss sie die Tür, und Arbeely fragte sich, wie er die Sache besser hätte angehen können.
    »Du hast getan, was du konntest«, sagte Maryam. »Du bist nicht für das

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