Golem und Dschinn: Roman (German Edition)
Preis bezahlen und dann zu deinem Zelt zurückreiten, zu deinem Bett und deiner schlafenden Frau.« Das Licht der Fackel blitzte in seinen Augen, als gäbe es dort auch einen Dschinn-Funken. »Wusstest du, dass der nächste Sommer eine Trockenheit bringen wird, wie sie die Beduinen seit Generationen nicht mehr erlebt haben? Sie wird Jahre dauern und jede Weide zwischen hier und der Oase Ghuta zu Staub verwandeln. Das ist keine Weissagung, keine Prophezeiung. Die Zeichen sind sichtbar für jedermann, der sie lesen kann, in den Bewegungen von Sonne und Mond, den Mustern der Schlangen, den Formationen der Vögel. Alles weist auf eine Katastrophe hin. Außer natürlich, man ist darauf vorbereitet.«
Abu Yusuf hielt seine Tochter fester. Der Mann hätte gelogen haben können, um ihn zu bedrängen oder damit er in seiner Aufmerksamkeit nachließ – doch zuinnerst wusste er, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht war er nicht so geschickt darin, die Zeichen zu lesen, wie Ibn Malik, aber jetzt wurde ihm klar, dass er es bereits gewusst hatte. Vermutlich hatte er Fadwa deswegen zu Hause behalten, statt sie fortzuschicken zu einem Ehemann, einem neuen Clan, in dem sie eine Fremde wäre, die letzte Person, die zu essen bekäme. In dem sie ein Kind auf die Welt brächte, nur um es dahinsiechen und sterben zu sehen.
Mit fester Stimme sagte er: »Und was hat das mit dem Dschinn zu tun?«
»Benutz deine Phantasie, Abu Yusuf. Denk dran, was ein Dschinn für deinen Clan tun könnte. Warum Leib und Leben riskieren auf der Suche nach Wasser, wenn er es für dich tun könnte? Warum sich in einem zerrissenen Zelt gegen den Wind verschanzen, wenn du in einem vom Dschinn gebauten Palast schlafen könntest?«
»Aha, du willst den Dschinn also an
meinen
Willen binden? Oder glaubst du, dass er mit zwei Meistern einverstanden wäre?«
Ibn Malik lächelte. »Du hast natürlich recht. Er würde meinen Befehlen gehorchen, nicht deinen. Und jetzt wirst du dich fragen, warum ich mir die Mühe machen und deine Familie beschützen sollte, was mich dazu veranlassen könnte. Darauf könnte ich antworten, und es entspräche der Wahrheit, dass mir das Wohlergehen der Hadid stärker am Herzen liegt, als du glaubst.«
Abu Yusuf schnaubte.
»Doch ich weiß, dass du schwer zu überzeugen bist, also denk über Folgendes nach. Der Überlieferung nach liebten die Dschinn unter Suleimans Herrschaft ihre Meister und fügten sich freudig unter sein Joch. So erzählen es zumindest die Menschen. Die Dschinn erzählen ihre eigenen Geschichten, und darin ist Suleiman ein Sklaventreiber, gerissen und grausam. Schwer zu sagen, wie es wirklich war. Vielleicht liebten sie Suleiman aufrichtig, oder er versklavte ihre Gedanken ebenso wie ihren Willen und eignete sich ihre Liebe durch Zwang an. Aber eins kannst du mir glauben: Der Dschinn, den wir suchen, wird mich nicht lieben. Er wird mich mit jeder Faser seines Wesens hassen. Er wird bei jeder Gelegenheit versuchen, durch Zauberei oder List aus meinem Dienst zu entkommen. Und doch wird er tun müssen, was immer ich ihm befehle.«
»Du wirst dafür sorgen, dass er beschäftigt ist«, sagte Abu Yusuf.
»Genau. Ein Dschinn, der deine Schafe immer wieder nach Ghuta und zurücktragen muss, wird keine Zeit zum Pläneschmieden haben.«
Abu Yusuf überlegte. Wenn er zustimmte, dann wäre er daran beteiligt, ein anderes Wesen zu versklaven. Einen Dschinn, wohl wahr, dennoch ein Sklave. Und wenn nicht …
Ibn Malik ließ ihn nicht aus den Augen. »Ist dir die Freiheit eines Dschinns mehr wert als das Leben deiner Familie?«, fragte er leise. »Deine Tochter hat der Dschinn bereits in den Wahnsinn getrieben, richtig?«
»Du hast gesagt, dass Rache schlimmer als nur zwecklos ist.«
»Rache um ihrer selbst willen, ja. Aber wenn sie nebenbei zu haben ist …« Ibn Malik grinste wie ein Schakal.
Abu Yusuf fragte sich, ob er wirklich eine Wahl hatte. Das Leben Fadwas lag bereits in den Händen des Zauberers. Wie sollte er es Fatim erklären, wenn er sich weigerte und mit seiner wahnsinnigen Tochter nach Hause zurückkehrte? Würde er alle, die er liebte, in den Ruin treiben, nur um sein eigenes Ehrgefühl zu bewahren? Er fragte: »Warum bemühst du dich überhaupt, mich zu überzeugen? Wenn ich nicht einwillige, könntest du mich einfach umbringen und mit Fadwa machen, was immer du willst.«
Ibn Malik zog eine Augenbraue in die Höhe. »Stimmt. Aber mir sind Vernunft und Einverständnis lieber. Verbündete sind
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