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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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aus über seinen ganzen schmerzgebeutelten Körper spannte. Er versuchte, die Schelle zu sprengen, wurde von Panik erfasst, wollte verzweifelt die Gestalt wechseln, während die Linien einen Käfig um ihn bildeten. Wie dumm, wie leichtsinnig! Geködert und gefangen wie der niederste Ghul. Alles,
alles
war ihm genommen worden!
    »Ich bin Wahab Ibn Malik«, knurrte der Mann, »und ich kette dich an meinen Willen!«
    Der Käfig glühender Linien drang in ihn ein, Flamme zu Flamme.
    Der alte Mann schwankte, einen Augenblick lang schien es, als würde er in Ohnmacht fallen. Dann richtete er sich auf und lächelte triumphierend.
    »Dann bist du fertig?«, fragte der Beduine. »Kannst du sie jetzt heilen?«
    »Noch ein letztes. Der Bund muss besiegelt werden.« Der Hexer lächelte betrübt. »Ich muss mich bei dir entschuldigen, Abu Yusuf, aber hier endet unsere Übereinkunft.«
    Plötzlich hielt der Hexer ein Messer in der Hand. Mit einer raschen, kräftigen Bewegung stieß er es Abu Yusuf zwischen die Rippen. Ein schreckliches röchelndes Geräusch folgte und dann, als der alte Mann das Messer wieder herauszog, ein heißer Schwall Blut und der widerliche Geruch nach Eisen. Abu Yusuf brach zusammen, seine Hand glitt vom Nacken des Dschinns.
    Der Hexer holte tief Luft. Er schien wieder erschöpft; seine skelettartige Gestalt war vor Anstrengung zusammengesackt – aber in seinen Augen schwelte Triumph.
    »Gut«, sagte er. »Lass uns reden. Aber zuerst …« Er fasste wieder nach dem Handgelenk des Dschinns und murmelte etwas über der eisernen Schelle. Augenblicklich hörte der Schmerz auf. Von der Lähmung befreit, fiel der Dschinn der Länge nach auf das blutverschmierte Glas.
    »Ich gebe dir einen Moment«, sagte der alte Mann. Er wandte sich dem Mädchen zu, das als Bündel auf dem Boden lag und nichts von der Ermordung ihres Vaters mitbekommen hatte.
    Der Dschinn riss sich zusammen, stand auf und wollte sich auf den Hexer stürzen.
    »Halt«, sagte Ibn Malik.
    Und der Dschinn blieb ruckartig stehen, ein gezähmtes Tier an der Leine. Er konnte nicht dagegen ankämpfen, ebenso wenig wie er den Sonnenaufgang hätte verhindern können. Der Mann flüsterte ein paar Worte, und die eiskalte Folter des Eisenbandes setzte von neuem ein.
    Der Mann sagte: »Weißt du, dass niemand, nicht einmal der weiseste Seher herausgefunden hat, warum die Berührung mit Eisen für die Dschinn so schrecklich ist?« Er hielt inne, als würde er auf eine Antwort warten; doch der Dschinn war nahezu besinnungslos und hielt seinen schmerzenden Arm. Der Hexer fuhr fort: »Nichts sonst hat diese Wirkung. Aber es gibt da ein Rätsel, denn wenn ich dich mit Eisen kontrollieren kann, kann es auch ein anderer. Es hat keinen Zweck, den mächtigsten Sklaven auszuschicken, um einen Feind zu töten, nur damit er vor einem gewöhnlichen Schwert davonläuft. Ich habe lange über dieses Problem nachgedacht, und hier ist meine Lösung.«
    Er murmelte wieder ein paar Worte; der Schmerz hörte erneut sofort auf.
    »Ich werde ein strenger Gebieter sein«, sagte der Hexer, als der Dschinn wie ein Sack auf dem Boden lag, »aber kein grausamer. Du wirst das Eisen nur spüren, wenn du es provozierst. Wenn deine Haltung jedoch Belohnung verdient, werde ich dir hin und wieder erlauben, deine wahre Gestalt anzunehmen. Aber glaub bloß nicht, dass du mir entkommen kannst – ich kontrolliere deine Handlungen. Du bist an mich gebunden, Feuer an Fleisch, Seele an Seele, besiegelt mit Blut, solange du lebst.« Er lächelte den Dschinn an. »Oh, mein stolzer Sklave. Du und ich, wir werden alles übertreffen, was in den Geschichten der Alten berichtet wird. Viele Generationen werden unsere Namen singen.«
    »Nein«, sagte der Dschinn mit heiserer Stimme. »Ich werde mich selbst auslöschen.«
    Der Hexer zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ich glaube, dir ist der Ernst deiner Lage noch nicht bewusst«, sagte er. »Na gut. Ich werde ihn dir begreiflich machen.«
    Der Dschinn wappnete sich mit letzter Kraft gegen den erwarteten Schmerz des Eisens, doch er setzte nicht ein. Stattdessen ging Ibn Malik zu Fadwa und neigte sich über sie. Das Mädchen hatte sich von dem Umhang befreit; Speichel rann ihr auf einer Seite aus dem Mund, und ihre Hände zerrten an den Fesseln.
    »Du hast einen Teil von dir in dem Mädchen zurückgelassen«, sagte der Mann. »Ich habe ihrem Vater versprochen, dass ich ihn herausholen werde.«
    Er legte dem Mädchen die Hände aufs Gesicht und schob die

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