Golgrimms wundersame Welt (German Edition)
Eigentlich war das kein Wunder wenn man bedenkt, dass Halblinge kleiner sind als Zwerge und nur ein klein wenig größer als Bierdeckel!
Der Halbling hatte fein säuberlich eine Angelschnur über eine im Boden steckende Astgabel gezogen und dann um seinen dicken knubbeligen Zeh gebunden. Er war es leid gewesen die Angelschnur immerzu in der Hand zu halten, zudem er nun schon seit mehr als drei Stunden am Ufer dieses Sees hockte und noch immer kein einziger Fisch angebissen hatte.
Also war der Halbling auf die Idee gekommen, die Fische in Sicherheit zu wiegen, indem er sich schlafend stellte. Als es dann soweit war und wirklich ein Fisch angebissen hatte, schreckte er aus seinem Halbschlaf hoch und griff hastig nach der Schnur. Er zog und zog und holte endlich den ersten Fang des Tages an Land. Der kleine, in satten roten und orangen Farben schimmernde Fisch zappelte und wand sich. Doch Calebs Freude war sofort dahin, denn dieser Fisch war nur halb so groß wie des Halblings Faust. Vorsichtig nahm er das Tier in die Hand und entfernte den Haken aus dessen Maul.
„Du bist ja noch ein Baby-Fisch!“ sagte Caleb zu dem kleinen Wasserbewohner, welcher ihn aus seinen großen Augen anstarrte. Sofort verengten sich die Augen des Fisches zu messerscharfen Schlitzen.
„Baby-Fisch? Hast du `ne Macke? Lass mich sofort los oder ich versohl dir deinen kleinen putzigen Hintern, du Verrückter!“ meckerte der Fisch und wand sich wilder denn je.
Das ist die einzigartige Verteidigungsstrategie notrakischer Glubschfische. Sie behaupten Auftragskiller, Footballspieler, Hooligans oder Geheimagenten zu sein, damit ein Jäger der nächst höheren Position in der Nahrungskette Angst bekommt. Zu neunundneunzigkommaneun Prozent geht diese Taktik jedoch in die Hose.
Auch Caleb hatte, wie die meisten anderen Jäger, keine Angst, dafür aber Mitleid. Dieser Fisch musste wirklich eine sehr schwere Kindheit gehabt haben. Er drehte den Wasserbewohner hin und her und schließlich siegte sein großes Herz über seinen Hunger und er warf sein vermeintliches Abendessen zurück in den Fluss.
„Machs gut und grüß deine Verwandten und Freunde von mir!“ rief er dem Fisch nach. Nach einer Weile tauchte der Fisch noch einmal auf, sein kleiner Kopf lugte aus dem Wasser.
„Blödmann!“ schrie er und spuckte den Halbling mit einem Schwall Wasser an. Dann verschwand der Glubschfisch endgültig im trüben Wasser und war stolz darauf, der erste notrakische Glubschfisch zu sein, dem jemals die Proleten-Verteidigungsstrategie seiner Gattung das Leben gerettet hatte. Damit würde er zur lebenden Legende im Fluss werden. Lassen wir ihn in dem Glauben.
Nun jedoch begann Calebs Magen zu knurren und das hörte sich genauso an, als würde ein gewaltiges Unwetter aufziehen.
„Jajaja, ist ja gut!“ meckerte er mit seinem Magen. „Ich hab auch Hunger. Aber wie es aus sieht wurde aus unserem Fisch-Tag ein Irgendwas-anderes-Tag!“
Der Halbling tätschelte seinen kugelrunden knurrenden Bauch um ihn zu beruhigen und dann durchzuckte ihn eine Erinnerung wie ein Blitzschlag.
War nicht unweit von diesem See eine Stadt gelegen? Ließe sich dort nicht vorzüglich schlemmen? Würden dort nicht ungeheuer spannende Dinge auf ihn warten? Mit leuchtenden Augen strich Caleb die Falten aus seiner Weste, rückte den Kragen seines Hemdes zurecht und zog den Bund seiner Hose bis weit über den Bauchnabel hinauf. Dann packte er kurzerhand seinen Rucksack, sattelte Cedric III. und stieg auf.
Die Angelschnur ließ er am See zurück, mit dem innigen Gelübde, nie wieder Fisch zu essen!
Port Mazedor.
Eine Weltstadt.
Hier tummelte sich alles was Notrak Husch an Bewohnern zu bieten hatte: Vom gemeinen Dieb bis hin zum Profi-Assassinen, vom kleinen Obstverkäufer bis hin zum Edelhändler, vom armen Bauern bis hin zum adligen Großunternehmer. Diese Stadt war groß, laut und sie stank.
Ebenso war Port Mazedor eine überaus bunte Hafenstadt. Von kleinen Kuttern und Fregatten bis hin zu mächtigen Schonern und Galeeren legten alle Seefahrer der Welt irgendwann hier in dieser Stadt an, um Handel zu treiben oder ihr Schiff der gesetzlich vorgeschriebenen halbjährlichen Inspektion unterziehen zu lassen und um neue Segel und neue Taue einzubauen, weil die alten verschlissen waren. Sicherheit war nun einmal das oberste Gebot in der Seefahrt!
Caleb und Cedric III. schlenderten die Strassen entlang, der Lärm des Wochenmarktes schallte zwischen den Häusern. Der
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