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Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Titel: Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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sieben Polizisten überwacht:
    »Du bist blaß«, sagte Vincenzo, und sein Vater, der ihm fest in die Augen schaute, antwortete: »Seit vielen Jahren hat dieses Gesicht die Sonne nicht gesehen.«
    Die Untergetauchten sind häufig am Ende ihrer Kräfte, wenn sie gefaßt werden. Die dauernde Flucht beraubt sie der Möglichkeit, ihren Reichtum zu genießen, und das zwingt sie zu einer immer engeren Symbiose mit ihrem Generalstab, der zum einzigen Gradmesser ihres ökonomischen und sozialen Erfolges wird. Durch die Schutzmaßnahmen, die unablässige Notwendigkeit, jeden Schritt sorgfältig zu planen, und den überwiegenden Aufenthalt in geschlossenen Räumen, in denen sie Geschäfte und Unternehmungen planen, werden die untergetauchten Bosse zu Gefangenen des eigenen Business. Eine Dame im Gerichtssaal erzählte mir etwas über das Leben Di Lauros im Untergrund. Dem Aussehen nach hätte die Frau eine Lehrerin sein können, ihre Haare waren eher gelb als blond gefärbt und am Scheitel deutlich nachgewachsen. Mit rauher und tiefer Stimme erzählte sie von der Zeit, als Paolo Di Lauro noch in Secondigliano war, aber sich nur dank raffiniert ausgeklügelter Strategien bewegen konnte. Es schien der Frau fast leid zu tun, was der Boss auf sich nehmen mußte. Di Lauro besaß, so vertraute sie mir an, fünf Autos, deren Farbe, Modell und Kennzeichen identisch waren. Wenn er irgendwohin wollte, ließ er sie alle fünf losfahren. Alle fünf Autos wurden begleitet, doch keiner seiner Männer wußte mit Sicherheit, in welchem Auto der Boss saß. Das Auto verließ die Villa, und die Leibwache folgte. Auf diese Weise war Verrat unmöglich, nicht einmal der bloße Hinweis, daß der Boss das Haus verlassen habe. Die Signora erzählte diese Geschichte im Ton tiefsten Mitgefühls für das Leiden und die Einsamkeit eines Mannes, der immer fürchten mußte, ermordet zu werden. Nach dem Reigen der Gesten und Umarmungen, nach den Begrüßungen und Freundschaftsbekundungen zwischen den Vertretern der gewalttätigsten kriminellen Macht in Neapel trug das Panzerglas, das den Boss von den anderen trennte, ganz andere Spuren: Handabdrücke, Fettspuren, Kußmünder.
    Nicht einmal vierundzwanzig Stunden nach der Verhaftung des Bosses wurde an der Kreisverkehrsanlage von Arzano ein Pole aufgegriffen, der wie Espenlaub zitternd ein riesiges Bündel in den Müll zu bugsieren versuchte. Der junge Mann war blutbesudelt, und seine Angst machte all seine Bewegungen unsicher. Das Bündel war ein Körper. Ein mit unvorstellbarer Grausamkeit gemarterter, gefolterter und entstellter Körper. Es schien unmöglich, daß man einen Menschen so zurichten konnte. Hätte man jemanden eine Mine verschlucken und im Magen explodieren lassen, so hätte das weniger Verwüstung angerichtet. Es handelte sich um die Leiche von Edoardo la Monica, aber seine Züge waren nicht mehr zu erkennen. Es gab nur noch die Lippen, alles andere war zerfetzt. Der Körper voller Löcher und blutverkrustet. Sie hatten ihn gefesselt und dann mit einem genagelten Stock langsam gequält, über Stunden. Jeder Schlag hatte ein Loch in den Körper gemacht, Schläge, die nicht nur die Knochen brachen, sondern auch das Fleisch durchbohrten, Nägel, die eindrangen und wieder herausgezogen wurden. Sie hatten ihm die Ohren abgeschnitten, die Zunge verstümmelt, die Handgelenke zerschlagen, die Augen mit einem Schraubenzieher ausgestochen, bei lebendigem Leib und vollem Bewußtsein. Um ihn vollends zu erledigen, hatten sie ihm das Gesicht mit einem Hammer zertrümmert und mit einem Messer ein Kreuz in die Lippen geschnitten. Die Leiche mußte auf den Müll geworfen werden, damit sie verwest auf einem Müllabladeplatz gefunden wurde. Die in sein Fleisch geschnittene Botschaft konnte jedermann entziffern, auch wenn es keinen anderen Beweis als die Folter gab: dir wurden die Ohren abgeschnitten, mit denen du gehört hast, wo der Boss versteckt war, die Hände zerschlagen, mit denen du das Geld genommen, die Augen ausgestochen, mit denen du gesehen, und die Zunge verstümmelt, mit der du geredet hast. Das Gesicht entstellt, das du durch deine Tat vor dem System verloren hast. Die von dem Kreuzeszeichen versiegelten Lippen: für immer geschlossen von dem Treueschwur, den du gebrochen hast. Edoardo La Monica war nicht vorbestraft. Doch er trug einen schwer belasteten Namen, den einer der Familien, die Secondigliano zum Land der Camorra und zur Goldgrube gemacht hatten. Der Familie, in der Paolo Di Lauro sich

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