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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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zugeben, dass sie versucht hat, Kostolany eine Fälschung anzudrehen. Es gibt sogar noch eine Möglichkeit, die der Großfürst nicht berücksichtigt hat.»
    «Und welche?»
    «Die Königin könnte einfach behaupten, dass es sich bei diesem Bild um das Original handelt. Dann ist der Fall für sie abgeschlossen. Sie hat das Gemälde zurück und kann es verkaufen.»
    «Falls es sich nicht ohnehin um das Original handelt. Dann würde sie lügend die Wahrheit sagen.
    Und zugleich Troubetzkoy ans Messer liefern.»
    Tron sagte: «Oder sie hält das Bild tatsächlich für dasjenige, das sie mit nach Venedig gebracht hat.
    Möglicherweise werden wir es nie erfahren. Die Kö nigin scheint ziemlich unter Druck zu stehen. Vielleicht kann sie sich in ihrer Situation keine Rücksichtnahmen leisten.»
    «Jetzt reden Sie so, als würden Sie Troubetzkoys Geschichte glauben, Commissario.»
    Tron schüttelte den Kopf. «Ich stelle lediglich fest, dass seine Version in sich logisch ist.»
    «Nur dass der Großfürst leider nicht beweisen kann, dass er vor zwei Monaten einen Tizian von Kostolany gekauft hat», sagte Bossi. «Weil er nämlich denselben Kostolany vor fünf Tagen erdrosselt hat.
    Warum haben Sie ihn nicht auf sein falsches Alibi für die Mordnacht angesprochen?»
    Tron sagte: «Das werde ich tun, wenn sich he rausgestellt hat, dass dieses Gemälde definitiv identisch mit dem Gemälde aus dem Palazzo da Lezze ist.»
    «Und was machen wir jetzt?»
    «Wir begeben uns mit dem Bild zum Regina e  Gran Canal.»
    «Um der Königin was zu erzählen?»
    «Dass Troubetzkoy behauptet hat, er habe dieses Bild bereits vor zwei Monaten von Kostolany gekauft. Und dass es sich eventuell um das Original handelt. Vielleicht gibt die Königin ja dann zu, dass sie eine Kopie verkaufen wollte. Aus lauter Freude darüber, dass sie wieder im Besitz des Originals ist.»
    «Was Troubetzkoy entlasten würde», sagte Bossi.
    Tron nickte. «Dann hätten wir zwar das Gemälde, aber nicht den Mörder.»

18
    Marie Sophie legte den Brief, den sie jetzt zum zwanzigsten Mal gelesen hatte, auf die Schreibplatte ihres Sekretärs und beschwerte ihn mit der halbierten Glasgurke, die das Zimmermädchen heute Morgen in ihrem Salon zurückgelassen hatte. Die ausgehöhlte Gurke ähnelte den flachen Fischerkähnen auf dem Starnberger See, und Marie Sophie spürte auf einmal, wie das Heimweh einer heißen Welle gleich über ihr zusammenschlug. Sie hatte die Vorhänge ihres Salons im Regina e Gran Canal schließen lassen. Andere mochten die Aussicht auf die Mündung des Canalazzo, die Dogana und die Salute luxuriös finden, ihr ging der Ausblick inzwischen auf die Nerven. Er erinnerte sie jedes Mal daran, dass sie sich in Venedig aufhielt – in einer Stadt, in der es offenbar unmöglich war, ein Gemälde zu verkaufen, ohne dass der Kunsthändler erdrosselt und das Gemälde gestohlen wurde.

    Der Brief aus Belgien, den ihr Oberst Orlow heute Morgen mit unbewegtem Gesicht überreicht hatte, konnte in seinem sachlichen Ton jederzeit als Geschäftsbrief durchgehen – eine wohl durchdachte Vorsichtsmaßnahme, die den Sinn hatte, sie zu schützen, falls die Briefe jemals in falsche Hände gelangen sollten. Dementsprechend war nur zwischen den Zeilen zu lesen, dass die Situation in Brüssel mit jedem Tag unhaltbarer wurde und sie gut daran tat, den Gang der Dinge zu beschleunigen.
    Nur konnte sie im Moment nichts anderes tun, als zu warten und darauf zu hoffen, dass dieser Commissario Tron wirklich der Mann war, der das enthusiastische Lob ihrer Schwester verdiente – dass sich hinter seinem unscheinbaren Äußeren tatsächlich ein Ausbund von Scharfsinn und Tatkraft verbarg. Denn dieser Commissario, fand Marie Sophie, sah eigentlich eher aus wie jemand, der seine Tage in Kaffeehäusern verbrachte, um dort Gedichte zu schreiben.
    Commissario Kaffeehausliterat – ein bisschen abgerissen und immer pleite. Und gab dieser Tron nicht irgendeine obskure Literaturzeitschrift heraus? So ein Blättchen, das keiner kaufte? Auf jeden Fall, dachte Marie Sophie, würde es zu ihm passen.
    Sie erhob sich seufzend, trat ans Fenster, schob den Vorhang zur Seite – und schreckte zurück wie ein Vampir beim Anblick eines Kruzifixes. Denn da war sie wieder, diese Salute-Kirche, die mit ihrer gigantischen Käseglocke und den steinernen Schneckennudeln darunter wie ein riesenhaftes Bühnenrequisit für eine schmalzige Operette aussah – wobei Marie Sophie der flüchtige Gedanke kam (den

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