Gondeln aus Glas
um sich selber keine Blöße zu geben.
Ich weiß es nicht. Wenn es überhaupt stimmt, was uns der Eigner der Brigg erzählt hat.»
«Dieser Eigner – was ist das für ein Mann?»
«Es handelt sich um den russischen Generalkonsul.
Den Fürsten Troubetzkoy.»
«Steht der Großfürst unter Verdacht?»
Tron nickte. «Allerdings. Aber wenn es sich tatsächlich um eine Kopie des Gemäldes handelt, würde ihn das entlasten.»
«Sie wollen also, dass ich den Tizian identifiziere?»
Tron deutete eine höfliche Verbeugung an. «Das wäre außerordentlich hilfreich.»
«Ich kann Ihnen immer noch nicht ganz folgen, Commissario. Das ist das Bild. Wie sollte eine Kopie dieses Bildes nach Venedig gelangen? Die ganze Geschichte ist doch völlig …»
Der Kopf der Königin fuhr erschrocken nach
links, als die Tür zum Salon hart aufgestoßen wurde.
Oberst Orlow, der die Hotelflure offenbar in Eilmärschen durchmessen hatte, hielt sich nicht damit auf zu grüßen. Stattdessen sagte er, leicht atemlos und die Augen auf den Tizian geheftet wie auf einen feindlichen Gefangenen: «Der Portier hat gemeldet, dass Sie im Haus sind, Commissario. Und dass Ihr Sergente ein flaches Paket dabeihat.» Oberst Orlow trat vor das Bild und starrte es eine Weile mit ausdruckslosem Gesicht an. Schließlich wandte er sich an Tron. «Gute Arbeit, Commissario», sagte er. Sein Lächeln war knapp und dienstlich.
«Möglicherweise gratulieren Sie mir zu früh.»
«Wie bitte?»
«Der Mann», sagte die Königin, «bei dem das Bild gefunden worden ist, behauptet, dass es sich um eine Kopie handele.»
«Die er vor zwei Monaten von Kostolany gekauft haben will», ergänzte Tron.
«Von Kostolany?» Orlow machte ein ungläubiges Gesicht.
Tron nickte. «Aber wenn es sich tatsächlich um das Original handelt, hätten wir den Mörder bereits ermittelt.»
Tron wandte sich der Königin zu, die immer noch mit gerunzelter Stirn vor dem Gemälde stand.
«Hoheit?»
Die Königin hob hilflos die Schultern. «Es muss das Original sein. Die einzige Kopie, die es von diesem Bild gibt, befindet sich in Rom.»
Trons Augenbrauen schossen nach oben. «Wie?
Es gibt eine Kopie des Bildes?»
«Sie war für Erzherzog Maximilian bestimmt», sagte die Königin. «Gemalt auf einer Lindenholztafel, die auf der Rückseite eine Kopie des alten Siegels trug, der Echtheitsbestätigung und der Inventarnummer aus den königlichen Sammlungen in Neapel.» Die Königin räusperte sich nervös. «Der Erzherzog sollte sich der Illusion hingeben können, er würde ein Original besitzen.»
Die Formulierung fand Tron bemerkenswert. Sie ließ nämlich offen, ob man Maximilian darüber aufgeklärt hatte, was für ein Gemälde er da auf der Novara nach Mexiko brachte – ein Original oder eine Kopie.
«Nur gab es am Ende Gründe», fuhr die Königin etwas rätselhaft fort, «dem Erzherzog ein anderes Geschenk für seine mexikanische Residenz mit auf den Weg zu geben.»
«Diese Kopie ist also nicht an ihn verschenkt worden.»
Die Königin schüttelte den Kopf. «Als wir vor sechs Tagen abgereist sind, hing sie in der Kapelle des Palazzo Farnese.»
«Dann kann die Kopie unmöglich vor zwei Monaten verkauft worden sein», sagte Tron. «Es sei denn
…» Er brach ab, weil ihm plötzlich etwas einfiel.
Rein logisch gesehen, gab es natürlich noch eine Möglichkeit. Allerdings kannte er die Umstände nicht, unter denen der Tizian in Rom kopiert worden war.
Die Königin sah Tron mit wachsender Ungeduld an. «Es sei denn was, Commissario?»
Aber Tron war noch nicht bereit, die Frage zu beantworten. «Wer hat diese Magdalena von Tizian in Rom kopiert?», erkundigte er sich.
Oberst Orlow schaltete sich ein. «Ein Pater Terenzio. Er arbeitet als Restaurateur für die Kurie und hat ein Atelier in der Küsterei von Santa Maria sopra Minerva.» Oberst Orlows Gesicht nahm einen verärgerten Ausdruck an. «Warum interessieren Sie sich für den Kopisten, Commissario?»
«Weil es noch eine andere Möglichkeit gibt.»
Tron war sich inzwischen ziemlich sicher, dass niemand an einer anderen Möglichkeit ernsthaft interessiert war, aber die Überlegung lag auf der Hand. Er sagte: «Der Kopist könnte eine zusätzliche Kopie des Bildes angefertigt haben.»
Der Blick, den die Königin Tron zuwarf, war nicht besonders huldvoll. «Und diese zusätzliche Kopie vor zwei Monaten an Kostolany verkauft haben?
Sodass dieses Bild hier doch kein Original ist? Ist es das, was Sie meinen?»
Tron
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