Gone 4: Rache
Edilio so lange geheim gehalten hatten.
»Der kleine Pete?«, fragte Jack erstaunt.
Sam seufzte. »Ja. Er ist nicht nur Astrids Bruder.«
Er erzählte ihnen in wenigen Worten, was er wusste, während Toto nach jedem Satz hinzufügte: »Er glaubt, dass es wahr ist.«
Dekka machte ein nachdenkliches Gesicht. »Aber wie bringt man den kleinen Pete dazu, irgendetwas zu tun?«
»Das letzte Mal, als er sich in tödlicher Gefahr wähnte, schuf er die FAYZ «, sagte Sam. »Man muss ihm irgendwie Todesangst einjagen.«
»Solche Kräfte hat der kleine Pete?«, entfuhr es Jack.
»Ja«, antwortete Sam. »Im Vergleich zu ihm sind Caine, ich, wir alle so was wie … wie Platzpatronen neben einer Kanonenkugel. Wir wissen nicht einmal, wo die Grenzen seiner Kraft liegen. Wir wissen nur, dass es praktisch unmöglich ist, mit ihm zu kommunizieren. Wir können uns nicht einmal vorstellen, was in seinem Kopf vorgeht.«
»Mann«, murmelte Dekka und schüttelte den Kopf. »Ich wusste, dass er eine wichtige Rolle spielt. Das ist mir schon vor langer Zeit klar geworden. Aber dass er so etwas kann …« Sie dachte kurz nach, dann sagte sie: »Jetzt verstehe ich auch, warum ihr das geheim halten musstet. Das ist wie eine Atomwaffe in den Händen … na ja … in den Händen eines kleinen autistischen Jungen.«
Sam stand auf und fuhr zusammen, als ein höllischer Schmerz durch seine Ferse schoss. Er legte eine Hand auf Jacks Schulter. »Sag Edilio, er soll Caine holen, falls dazu überhaupt noch Zeit ist. Wenn nicht, holst du den kleinen Pete.«
»Und tue was mit ihm?« Jack war der Schock anzusehen. Und dass immer noch nicht in seinen Kopf hineinwollte, dass ein kleiner Junge das mächtigste Wesen ihres Universums war.
Sam lag die Antwort auf der Zunge. Ihm war jetzt klar, welcher Schachzug der einzig mögliche war, um zu gewinnen. Zu Brittney hatte er gesagt, er sei kein kaltblütiger Mörder. Das war er auch nicht. Und trotzdem …
»Du hebst ihn auf und trägst ihn zum erstbesten Käfer, der dir über den Weg läuft.«
»Und dann?«, fragte Jack mit bebender Stimme.
»Wirfst du ihn dem Käfer hin.«
Drakes Peitschenarm war um die Schere der größten Kreatur gewickelt, während sie in Richtung Süden rasten und den See immer weiter zurückließen. Er musste die gespreizten Beine in den Rücken des Wesens bohren und sich vorlehnen, um nicht hinunterzufallen.
Wo war Sam Temple? Wenn er hier entlanggekommen war, müssten sie ihn doch längst eingeholt haben.
Bring mir Nemesis.
Die Stimme in Drakes Kopf war lauter und drängender denn je.
Mit der freien Hand klatschte er sich auf die Schläfe, wollte die Stimme und die hartnäckig wiederholte Forderung zum Schweigen bringen.
Bring ihn mir.
Plötzlich tauchte vor seinem inneren Auge die Coates Academy auf, seine alte Schule, sein früheres Zuhause. Das grimmige Haupthaus im gotischen Stil, der düstere Wald, von dem es eingeschlossen war, das Eisentor. Das Bild war Teil seiner eigenen Erinnerung, es war aber die Dunkelheit, die ihn zwang, es anzusehen, es zu sehen und zu verstehen.
Nemesis war dort!
Bring ihn mir!
Im Moment wurde Drake jedoch von eigenen Bedürfnissen angetrieben. Sein Überherrscher mochte diesen Nemesis brauchen, wer auch immer das war, aber er, Drake, verspürte ein ähnlich starkes Verlangen: Sam Temple zu töten.
Sam hatte sein altes Leben zerstört, war schuld daran, dass er mit Brittney diesen Körper teilen musste. Sam hatte ihn wie ein Tier in einen Käfig gesperrt. Und jetzt war Sam schon wieder dem Tod entronnen. Hatte Drake erneut geschlagen. Und war nirgends zu sehen, einfach weg!
»Sam!«, heulte Drake frustriert. »Sam!«
Der Käfer war schnell und Drakes Schrei verhallte im Wind. Trotzdem schrie er noch einmal: »Sam! Ich komme dich töten!«
Keine Antwort. Und keine Spur von Sam und seiner Crew. Sie würden doch sicher alles tun, um möglichst rasch nach Perdido Beach zurückzukehren. Warum waren sie dann nirgends zu sehen? Und mit jeder Sekunde, die verging, konnte Drake sich weiter von ihnen entfernen.
Bring mir Nemesis!
Nein, Nemesis konnte warten. Drake diente der Dunkelheit, aber er war niemandes Laufbursche.
Wenn er Sam nicht hier draußen im offenen Gelände erwischte, würde er ihn in Perdido Beach schlagen. Er würde ihn dort erwarten. Seine Peitsche um Astrids Hals gewickelt.
Drakes Kopf wurde von Bildern überschwemmt, süßen Bildern von Sam, der ihm hilflos ausgeliefert war. Nur würde er Sam nicht gleich
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