Gone 5: Angst (German Edition)
»Was rätst du mir?«
Seit wann war Albert sein Berater? Egal. »Okay, wenn du mich fragst, solltest du Penny fortschicken.« Als Caine widersprechen wollte, gab er seine Vorsicht auf und hob ungeduldig die Hand. »Erstens, weil Penny psychisch instabil ist. Sie ist krank. Dass sie zum Problem werden würde, war von Anfang an klar, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Zweitens, weil das, was Cigar passiert ist, alle gegen dich aufbringt. Quinn ist nicht als Einziger der Meinung, dass sie zu weit gegangen ist. Das sind inzwischen alle. Und drittens, wenn du dich weigerst und Quinn stur bleibt, ist die Stadt in kürzester Zeit leer.«
Und wenn du nicht nachgibst, dachte Albert insgeheim, werde ich von einem geheimen Raketenlager erfahren. Und du, König Caine, wirst sie dir holen.
Caines Hände fielen flach auf den Tisch. »Wenn ich einlenke, werden alle denken …« Er holte bebend Luft. »Ich bin der König. Sie werden glauben, ich kann besiegt werden.«
Jetzt war Albert doch verblüfft. »Selbstverständlich kannst du besiegt werden. Niemand ist unbesiegbar.«
»Außer dir, Albert, nicht wahr?«, erwiderte Caine lauernd.
Albert wusste, dass das ein Köder war. Aber alles musste er sich auch nicht gefallen lassen.
»Turk und Lance haben auf mich geschossen«, sagte er mit der Hand auf der Türklinke. »Dass ich noch lebe, verdanke ich meinem Glück und der Heilerin. Glaub mir, ich denke schon lange nicht mehr, dass ich unbesiegbar bin.«
Dafür schmiede ich Pläne, dachte er, sprach es aber nicht aus.
Vierzehn
24 Stunden, 29 Minuten
Als Mohamed losging, blickten sie ihm eine Zeit lang schweigend hinterher.
Erst als sich Astrid sicher war, dass Sam ein paar Minuten ungestört sein würde, erzählte sie ihm von dem Fund, den sie und Edilio in der Wüste gemacht hatten. »Edilio bringt es her, damit wir es uns ansehen können. Ich bin sofort zurückgekommen. Sobald es hier ist, möchte ich es untersuchen.«
Sam schien gar nicht richtig zuzuhören. Sein Blick lag auf der Barriere. Und nicht nur seiner. Der Fleck war weithin sichtbar geworden. Auf den Feldern wahrscheinlich noch nicht, aber in der Nähe des Sees war er nicht mehr zu übersehen.
Sie kamen allein, zu zweit und zu dritt an, um Sam zu fragen, was das zu bedeuten hatte.
Er gab allen dieselbe Antwort: »Geht wieder an die Arbeit. Ich sag euch Bescheid, wenn ihr euch Sorgen machen müsst.«
Jedes Mal – und er musste es inzwischen mindestens zwanzigmal gesagt haben – legte er den gleichen mürrischen, aber letztlich beruhigenden Ton an den Tag.
Doch Astrid wusste es besser. Sie spürte, wie sich seine innere Anspannung auf sie übertrug. Sie sah die nach unten wandernden Mundwinkel und die beiden sich immer schärfer abzeichnenden Sorgenfalten zwischen den Augenbrauen.
Die grausige Entdeckung, die sie und Edilio gemacht hatten, musste warten. Im Moment war Sam vom Wachstum des Flecks wie hypnotisiert. Seine Fantasie quälte ihn. Sie erkannte es daran, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten, bis die weißen Knöchel hervortraten, und wieder entspannten. Es war aber ein zwanghaftes, bewusstes Loslassen, wobei er jedes Mal hörbar die Luft ausstieß.
Er sah eine Welt, die in vollkommener Finsternis verschwand.
Astrid sah sie auch. Und obwohl das unsinnig war, musste sie an ihre Zelte denken. Wenn die Leinen nicht ab und zu gespannt wurden, hingen die Dinger durch. Und auch die Plane musste regelmäßig auf kleine Risse hin überprüft werden, weil sich sonst im Nu Insekten und Ameisen breitmachten.
Plötzlich tauchte das Bild von dem Kojoten mit dem Kinderkopf und den menschlichen Beinen vor ihr auf, und zwar so unvermittelt, dass es ihr den Atem verschlug.
In der Erinnerung klangen die Schüsse aus ihrer Pistole viel lauter als in dem Moment, in dem sie die Kreatur erschossen hatte. Sie war wie betäubt gewesen. Doch jetzt sah sie die im Wüstensand verblutende Abscheulichkeit wieder vor sich und sie dachte an das Gesicht des kleinen Mädchens, das erst friedlich wurde, als der Tod eintrat und sich ein weißer Schleier über seine Augen legte.
Was geschah hier nur? Und warum kam sie nicht dahinter? Warum konnte sie Sam nicht helfen, wenigstens noch einmal einen Sieg davonzutragen?
Allein im Wald, hatte sie es als unendlich erleichternd empfunden, dass keiner Erwartungen an sie stellte. Sie musste nicht mehr Astrid, das Genie, sein, auch nicht Astrid, die Bürgermeisterin, Astrid, Sams Freundin, und schon gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher