Gone 5: Angst (German Edition)
schüttelte den Kopf. »Nein. Wir dürfen nicht einmal zulassen, dass die Kids im Regen duschen. Das Wasser, mit dem sie sich den Hintern waschen, würde im Auffangbecken landen.«
»Ich werde es verkünden.«
Es gab Momente, in denen Albert am liebsten laut gelacht hätte. Verkünden? Oh, Mann! Aber er beherrschte sich.
»Mit dem Essen sieht es nicht so gut aus«, fuhr er fort. »Ich habe eine Grafik vorbereitet.« Er zog eine Tafel aus der Aktentasche und hielt sie so vor sich hin, dass Caine sie gut erkennen konnte.
»Das sind die Erträge der letzten Woche. Genug für alle und stabil. Der heutige Einbruch, den du hier siehst, liegt daran, dass die Fischer nichts geliefert haben. Und die punktierte Linie zeigt den voraussichtlichen Ertrag der nächsten Woche.«
Caines Miene verfinsterte sich. Er knabberte an seinem Daumennagel, bemerkte es und ließ die Hand sinken.
»Cai… ich meine, Hoheit. Wie du weißt, kommen sechzig Prozent des Gemüses von Feldern, die mit Würmern verseucht sind. Achtzig Prozent unseres Eiweißbedarfs liefert das Meer. Ohne Quinn haben wir keinen Fisch mehr und nichts, womit wir die Würmer in Schach halten können. Das bedeutet, dass Anbau und Ernte zum Stillstand kommen. Und zu allem Übel kursiert auch noch eine verrückte Geschichte über einen Pflücker, der auf einem der Artischockenfelder in einen Fisch verwandelt wurde.«
»Was?«
»Nur ein Gerücht, aber im Moment erntet niemand mehr Artischocken.«
Caine bewegte langsam den Kopf hin und her und fluchte leise.
Albert steckte die Tafel wieder weg. »In drei Tagen haben wir eine Hungersnot. In einer Woche die ersten Toten. Ich muss dir nicht sagen, wie schnell die Lage eskaliert, wenn die Leute hungern.«
»Wir könnten Quinn ersetzen. Schick andere Kids in anderen Booten raus.«
»Das geht nicht. Sie müssten es erst lernen. Quinn hat lange gebraucht, um so gut und so effizient zu werden. Außerdem hat er die besten Boote – und sämtliche Netze und Angelruten. Wenn wir ihn ersetzen, dauert es wahrscheinlich fünf Wochen, bis die Produktion halbwegs angelaufen ist.«
»Dann fangen wir am besten gleich damit an.«
»Nein«, widersprach Albert. Und fügte rasch »Hoheit« hinzu.
Caine schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich lasse mich von Quinn nicht erpressen! Er ist nicht der König. Das bin ich. Ich!«
»Ich habe ihm mehr Geld angeboten. Das will er aber nicht.«
Caine sprang von seinem Stuhl auf. »Natürlich nicht. Es ist nicht jeder so wie du. Nicht jeder ist so ein geldgieriger …« Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. »Es geht ihm um Macht. Er will mich stürzen. Er und Sam Temple waren schon immer Freunde. Ich hätte Quinn niemals erlauben dürfen hierzubleiben. Ich hätte ihn zwingen sollen, mit Sam zu gehen.«
»Er fischt im Meer und wir befinden uns am Meer«, warf Albert ein, dem diese Wutanfälle auf die Nerven gingen. Sie stahlen ihm nur Zeit.
Caine schien ihn nicht gehört zu haben. »In der Zwischenzeit sitzt Sam an seinem See voller Fische, hat seine eigenen Felder und sein Nutella und sein Pepsi und was weiß ich alles. Was meinst du, passiert, wenn unsere Leute dahinterkommen, dass wir nichts mehr zu essen haben?«
Caines Gesicht war rot vor Wut. Albert beschloss, die Frage nicht zu beantworten. Caine war nicht nur ein unberechenbarer Egoist, sondern auch extrem gefährlich.
»Wir wissen beide, was dann passiert«, sagte Caine verbittert. »Sie werden die Stadt verlassen und zum See ziehen.« Er starrte Albert aufgebracht an, als wäre das alles seine Schuld. »Genau deshalb fand ich es von Anfang an nicht gut, zwei Städte zu haben. Jeder kann gehen, wohin er will.«
Caine ließ sich in seinen Stuhl fallen und schlug sich dabei das Knie an der Tischkante an. Zornig schleuderte er den Tisch mit einem Schwenk seiner Hand gegen die Wand.
Der Aufprall war so heftig, dass die alten Bilder, Selbstinszenierungen früherer Bürgermeister, zu Boden krachten und in der Wand ein tiefer Riss entstand.
Während Caine wieder an seinem Daumennagel knabberte, gingen Albert all die wichtigen Dinge durch den Kopf, die er in diesem Moment hätte erledigen können. Schließlich holte Caine den Tisch zurück an seinen Platz. Er schien eine Requisite zu benötigen, um sich in Szene setzen zu können, denn genau das tat er jetzt: Er stützte die Ellbogen auf, legte grübelnd die Hände aneinander und pochte mit den Fingerspitzen an seine Stirn.
»Albert, du bist mein Berater«, sagte er.
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