Gone 5: Angst (German Edition)
sein unterirdischer Meister die Arme ausgestreckt und riesige schwarze Krallen ausgefahren. Sie wuchsen wie Klauen aus dem Boden, als wollte er diese unwirkliche Welt mit beiden Händen umfassen.
Normalerweise hätte der Anblick bei ihm Bewunderung hervorgerufen, doch jetzt spürte er nichts dergleichen. Drake wurde mulmig. Es war der gleiche schwarze Fleck, den er bereits unter der Erde beobachtet hatte und der sich wie ein Krake in den Gaiaphage hineinfraß.
Mit der Dunkelheit stimmte etwas nicht. Dieser Gedanke war zwar nichts Neues, aber nun regte sich in ihm zum ersten Mal der Verdacht, dass seine Mission womöglich gar nichts mit den Plänen des Gaiaphage zu tun hatte, sondern nur mit dessen Angst.
»Weiter«, drängte Pack Leader.
Auf dem Kamm waren sie weithin sichtbar. Als Drake bewusst wurde, dass der See direkt unter ihnen lag, duckte er sich zu Boden.
Dann eilte er Pack Leader hinterher, der in einer Felsspalte verschwand. Er musste die Luft anhalten, um sich in das enge Versteck zu zwängen, das die Kojoten für ihn ausgesucht hatten.
Die Höhle war so winzig, dass er gerade mal darin stehen konnte, aber hier würde Brianna ihn gewiss nicht finden.
Durch den Spalt sah er einen schmalen Streifen See, ein paar Boote und ein Stück vom Himmel.
Es dämmerte bereits.
Draußen
Connie Temple schluckte eine Tablette Sertralin. Der Wirkstoff war besser als die anderen Antidepressiva, machte sie nicht so müde. Dann spülte sie mit einem Glas Rotwein nach.
Sie schaltete den Fernseher ein und zappte lustlos durch das Filmangebot des Avania Inn, einer kleinen Pension in Santa Barbara, in der sie sich regelmäßig mit Sergeant Darius Ashton traf.
Sie hatte ihn vor ein paar Monaten bei einer ihrer Grillpartys kennengelernt. Bald darauf hatten die Dinge ihren Lauf genommen und sie waren sich einig gewesen, ihre Beziehung geheim zu halten.
Connie hörte das vertraute Pochen an der Tür. Sie ließ ihn herein. Darius war ziemlich klein für einen Mann, nur ein paar Zentimeter größer als sie, mit einem kompakten, durchtrainierten Körper, der überall tätowiert war und voller Narben aus dem Afghanistankrieg.
Er hielt einen Sechserpack Bier in der Hand und lächelte sie scheu an. Connie mochte ihn. Er war klug genug, um sich nichts vorzumachen. Er wusste, dass sie vor allem deshalb mit ihm zusammen war, weil sie hoffte, durch ihn an Informationen ranzukommen. Seit er auf einem Auge erblindet war, taugte er nicht mehr für Kampfhandlungen und war nach Camp Camino Real versetzt worden.
Er wartete Maschinen und Fahrzeuge. Dadurch hatte er zwar keinen direkten Zugriff auf geheime Unterlagen, aber er bekam einiges mit. Seit er nicht mehr kämpfen durfte, hasste er seinen Job.
Sergeant Ashton tat im Grunde nichts anderes, als die Zeit totschlagen. Und am liebsten tat er das mit Connie.
Später saß Connie auf dem Bett und trank Rotwein. Darius öffnete gerade seine dritte Dose Bier. Er ließ sich in den Lehnstuhl fallen, legte die Füße auf das Bettende und streichelte mit den Zehen ihre Fußsohlen.
»Irgendwas ist los«, sagte er unvermittelt. »Der Oberst soll mit seinem Rücktritt gedroht haben.«
»Warum?«
Darius zuckte mit den Schultern.
»Ist er weg?«
»Nein. Der General ist mit dem Hubschrauber angereist. Zu einer Besprechung. Dann ist er wieder abgeflogen und das war’s.«
»Und du hast keine Ahnung, worum es ging?«
Er schüttelte langsam den Kopf, als überlegte er noch, ob er weitersprechen sollte. Connie erkannte, dass es um eine wichtige Sache ging. Und dass er noch zögerte, sie einzuweihen.
»Meine Söhne sind da drin«, sagte sie sanft.
»Söhne? Wieso auf einmal im Plural?« Er sah sie scharf an. »Bis jetzt hast du mir nur von Sam erzählt.«
Sie nahm einen großen Schluck Wein. »Ich möchte, dass du mir vertraust. Deshalb erzähle ich dir jetzt die Wahrheit. Denn nur so funktioniert Vertrauen, nicht wahr?«
»Kann schon sein …«, erwiderte er argwöhnisch.
»Ich bekam Zwillinge: Samuel und David. Fuhr damals voll auf diese alttestamentarischen Namen ab.«
»Schöne Namen«, sagte Darius.
»Es waren zweieiige Zwillinge. Sam ist ein paar Minuten älter als David. Trotzdem war er der Kleinere.«
Sie räusperte sich, weil ihre Stimme sie einen Moment lang im Stich gelassen und zu zittern begonnen hatte. Sie würde das jetzt hinter sich bringen und nicht zu heulen anfangen. »Ich litt unter einer postpartalen Depression. Das war ziemlich schlimm. Weißt du, was das
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