Gone 5: Angst (German Edition)

habe.«
    Er ging.
    Connie klappte ihren Laptop auf und ging über das WLAN des Hotels ins Netz. Sie öffnete den Browser und tippte NEST ein. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis die Antwort kam. NEST stand für Nuclear Emergency Support Team .
    Das waren die Leute, die gerufen wurden, wenn in einem Atomkraftwerk Störungen auftraten. Ein Team für radioaktive Notfälle. Und ein Oberst, der damit drohte, seinen Job hinzuschmeißen. Was ging da nur vor sich? Vielleicht ein umstrittenes neues Experiment?
    Was es auch war, sie hatte mit einem Mal schreckliche Angst um ihre beiden Söhne.

Achtzehn
    18 Stunden, 55 Minuten
    Die Nacht war hereingebrochen. Als die Sonne unterging, hatte Sam Brianna zurückbeordert. Die Dunkelheit war tödlich für sie. Ein Fehltritt und sie würde sich sämtliche Knochen brechen.
    Brianna hatte ein Theater gemacht und verlangt, noch einmal rauszudürfen. Sie wusste aber selbst, dass es zu gefährlich war.
    Sam schickte sie unter Deck, damit sie sich in eine der Kojen legte und ein wenig schlief. Sekunden später hörte er sie schnarchen.
    Es war Zeit für die Wachablöse. Edilio konnte kaum noch die Augen offen halten. Dekka grübelte. Astrid hatte er eine Weile nicht gesehen. Wahrscheinlich schlief sie. Und war sauer auf ihn. Zu Recht, so unfreundlich, wie er gewesen war.
    Am liebsten wäre er zu ihr gegangen. Aber wenn er dem Wunsch, mit ihr zusammen zu sein, jetzt nachgab, brachte er später vielleicht nicht mehr die Kraft auf, noch einmal heraufzukommen.
    Das Licht lag im Sterben. Noch leuchtete über ihnen der Mond – zumindest die Illusion davon. Es herrschte noch nicht absolute Dunkelheit. Aber das würde sich bald ändern.
    »Wo ist er?«, fragte sich Sam zum hundertsten Mal. Sein Blick wanderte über das Ufer, den Waldrand und die Anhöhe. Drake konnte überall sein. Im Schatten der Bäume, irgendwo da oben zwischen den Felsen.
    Sam sank in den Feldstuhl.
    »Kannst du noch eine Zeit lang die Augen offen halten?«, fragte er Dekka.
    »Geh und leg dich hin, Sam.«
    »Ja.« Er gähnte.
    Astrid erwartete ihn.
    »Es tut mir leid, dass ich vorhin so grob war.«
    Ohne etwas zu sagen, nahm sie sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn. Sie liebten sich, behutsam und still, und danach glitt Sam in den Schlaf.
    Wenn Cigar Sanjit ansah, sah er eine tanzende, im Kreis wirbelnde, glückliche Gestalt, die ihn an einen Windhund erinnerte. Der, den sie Choo nannten, sah aus wie ein träger Grizzlybär mit einem purpurroten Herz, das langsam und behäbig schlug.
    Cigar wusste, dass er Dinge sah, die für andere nicht da waren. Er wusste bloß nicht, ob das an seinen neuen Augen lag oder an seinem verrückten Verstand. Oder lag es an beidem zusammen?
    Sonderbare Augen. Sonderbarer Verstand.
    Alles, selbst ganz normale Gegenstände wie Betten, Tische oder Treppen, schimmerte in einem unheimlichen Glanz. Ein flimmerndes, vibrierendes Leuchten, das sich zu bewegen schien.
    Irre Augen. Irrer Verstand. Dazu Erinnerungen, die ihn folterten, sodass er sich die Kehle aus dem Leib schrie.
    Wenn er losschrie, eilten Sanjit oder Choo und manchmal auch der kleine Bowie herbei, der die Gestalt eines weißen Kätzchens mit einem Strahlenkranz hatte. Während sie beschwichtigend auf ihn einredeten, war ihm, als sähe er eine von winzigen Staubpartikeln erfüllte Lichtsäule – und das half ihm. Bis zum nächsten Anfall.
    Da war aber noch etwas: durch die Luft tastende Ranken, die durch Gegenstände hindurchgingen und manchmal wie Rauch vom Boden aufstiegen oder sich wie eine langsame hellgrüne Peitsche bewegten.
    Wenn Lana kam, folgte ihr die grüne Peitsche auf Schritt und Tritt. Sie streckte sich nach ihr aus, wollte sie berühren, zog sich zurück, näherte sich wieder an. Unaufhörlich.
    Und manchmal hatte Cigar das Gefühl, sie suchte nach ihm. Sie hatte keine Augen und konnte ihn nicht sehen, aber sie spürte etwas, was sie zu interessieren schien.
    Sobald sie auftauchte, bekam er Visionen von Penny. Wie er ihr schreckliche Dinge antat. Sie leiden ließ.
    Er fragte sich, ob ihm die grüne Peitsche Macht über Penny verleihen würde. Ob er sich, wenn er »Komm zu mir, hier bin ich« sagte, als Belohnung an Penny rächen dürfte.
    Aber Cigars Gedanken waren nur flüchtig, ließen sich nicht festhalten. Sobald in seinem Kopf Bilder aufflackerten, dauerte es nicht lange, bis sie wie ein Puzzle in ihre Bestandteile zerfielen.
    Ab und zu kam auch der kleine Junge. Ihn zu sehen, war fast nicht möglich.