Gone 5: Angst (German Edition)
Taylor ausgerechnet ihr etwas so Kostbares wie Kakao schenken sollte. Er konnte es sich wohl denken.
Penny ging in die Küche, um Wasser aufzustellen. Sie hatte einen mit Trockenspiritus betriebenen Notkocher und zündete ihn an.
Caine war ihr nicht in die Küche gefolgt. Als sie ihm seine Tasse hinhielt, blickte er sie immer noch mit dieser Mischung aus Argwohn und Abscheu an.
Sie tranken beide.
»Also, was hältst du davon, wenn wir so tun, als hätten wir uns zerstritten? Damit sie glauben, ich wäre freiwillig gegangen.«
»Okay, aber dann müssten wir uns irgendwo streiten, wo die Leute es auch mitbekommen. Es darf nur nicht gestellt wirken.« Caine nahm noch einen Schluck von seinem Kakao. Er verzog den Mund. »Schmeckt irgendwie bitter.«
»Ich hab Zucker, wenn du möchtest.«
»Du hast Zucker ?«
Sie holte zwei Würfel und ließ sie in seine Tasse fallen. Er schwenkte sie, um den Zucker zu verrühren.
»In einem hast du Recht, Penny. Du bist nützlich. Verrückt, aber nützlich. Niemand hat mehr Zucker – außer dir.«
Sie zuckte bescheiden die Achseln. »Die Leute flüchten gerne irgendwohin, verstehst du? Stellen sich Dinge vor, die lustiger sind als ihr Alltag, die Arbeit und so weiter.«
»Ja, ja. Aber trotzdem: richtiger Zucker? Der ist viel wert.«
»Du weißt doch, dass ich in dich verliebt bin?«, fragte Penny unvermittelt.
Er winkte ab. »Ja, aber das beruht nicht auf Gegenseitigkeit.«
Sie konnte sich gerade noch beherrschen, seine Haut nicht in Flammen aufgehen und Blasen schlagen zu lassen.
»Schade«, sagte sie. »Denn ich könnte jede für dich sein.«
»Tu mir den Gefallen und erspar mir die Einzelheiten.« Er gähnte. »Überlegen wir uns lieber, wie wir jetzt vorgehen. Die letzten Tage waren anstrengend und ich möchte nach Hause.«
Also schlug Penny etwas vor.
Und Caine kam mit einem Gegenvorschlag.
Und sie legte lächelnd Widerspruch ein.
Und er gähnte. Lange und ausgiebig.
»Caine, du siehst müde aus. Schlaf ein paar Minuten. Ruh dich aus.«
»Das geht nicht, ich …« Er wurde vom Gähnen übermannt. »Wir reden ein andermal weiter. Morgen.«
Als er aufstehen wollte, kam er nicht vom Sessel hoch.
Sie konnte sehen, wie ihn die Droge benebelte, sein Gehirn immer träger und sein Körper immer schwerer wurde.
Er runzelte die Stirn, konnte nur noch mit Mühe die Augen offen halten. »Hast du …?«
Sie ersparte sich eine Antwort. Das Theater langweilte sie. Sie hatte keine Lust mehr, nett zu sein.
»Ich bring dich um«, lallte er und wollte seine Hand heben. Sie fiel jedoch wie ein Stein herunter.
Penny stand rasch auf und stellte sich hinter ihn.
Er konnte nicht einmal mehr den Kopf wenden. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr.
»Mach dir keine Sorgen, Hoheit. In ein paar Minuten wirst du das sowieso nicht mehr können. Ich hab dir einen kleinen Cocktail aus Schlaftabletten und Valium verabreicht.«
»Ich … br…«, stieß er schwer atmend hervor.
»Süße Träume«, flötete Penny. Sie griff hinter sich und nahm die größte der Schneekugeln vom Regal, zweifellos ein Prachtstück in der Sammlung der ehemaligen Bewohner. Ein kitschiges Souvenir mit einer kleinen Kirche drin.
Damit schlug sie Caine auf den Hinterkopf. Er kippte nach vorne und rührte sich nicht mehr.
Die Kugel war zu Bruch gegangen und schnitt in Caines Kopfhaut. Ihr schlitzte sie den Daumen auf.
Sie blickte auf das Blut.
»Das ist es wert«, knurrte sie.
Sie wickelte ihren Daumen mit einem Tuch ein, ging in die Küche und holte die große Holzschüssel und einen Krug Wasser. Dann zerrte sie den Zementsack aus dem Schrank.
Neunzehn
17 Stunden, 37 Minuten
Astrid glitt lautlos wie ein Schatten über den schlafenden Sam hinweg und trat aus der Koje. Es fiel ihr schwer, seinen warmen, weichen Körper zurückzulassen. Er übte eine fast unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie aus.
Als sie durch den Flur schlich und Brianna hörte, hätte sie beinahe gekichert. Das Mädchen schnarchte in normaler Geschwindigkeit, so wie alle anderen auch.
In der Kajüte fand sie ihre alten Klamotten und zog sich rasch an. T-Shirt, geflickte Jeans und Stiefel. Sie überprüfte ihren Rucksack, vergewisserte sich, dass die Patronen noch da waren. Ihre Wasserflasche wollte sie am See nachfüllen. Ein wenig Essen wäre auch gut, das war aber nicht so wichtig. Längere Hungerphasen machten ihr nichts mehr aus.
Und sie wäre ja hoffentlich bald wieder hier. Wenn nichts dazwischenkam, konnte sie die
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