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Gone 5: Angst (German Edition)

Gone 5: Angst (German Edition)

Titel: Gone 5: Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Grant
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mit den Kleinen umging, und sich gefragt, ob sie jemals diese Art von Geduld aufbringen würde. Roger hatte irgendwo ein Stück Kreide gefunden und die beiden Kinder bei Laune gehalten, indem er witzige Bilder aufs Deck malte.
    Und Orc war auch noch da. Er hatte den Bug in Beschlag genommen. Sein Gewicht drückte das Heck aus dem Wasser und verpasste dem Boot eine gehörige Schräglage.
    Diana hatte Angst gehabt, von der Bank zu rutschen. Doch dann hatte sie ihren Arm um eine Stange geschlungen, die Decke bis an ihr Kinn gezogen und war weggetreten. Tief geschlafen hatte sie nicht, es war eher eine Art Halbschlaf gewesen, ein angenehmes Dösen.
    Stimmengemurmel drang wie aus der Ferne an ihr Ohr. Sie spürte das Auf und Ab des Boots, wenn Orc sich bewegte, oder den leichten Ruck, wenn sie mit einem der anderen, auf dem Wasser treibenden Boote zusammenstießen.
    In diesem Schwebezustand hörte Diana eine Stimme. Sie war ihr fremd und zugleich zutiefst vertraut. Sie kam aus ihrem Bauch.
    Diana wusste, dass es ein Traum war. Das Baby hatte noch kein funktionierendes Gehirn, geschweige denn die Fähigkeit, Worte und Gedanken zu formulieren und ganze Sätze zu bilden.
    Baby war warm …
    Baby war im Dunkeln …
    Baby war geborgen …
    Nur ein Traum, eine wohlige Fantasie, die von ihrem Unterbewusstsein ausging. Sie lächelte.
    Was bist du?, fragte sie im Traum.
    Baby …
    Nein, Dummerchen, ich meinte, ein Junge oder ein Mädchen?
    Diana spürte die Verwirrung des Babys.
    Er will mich …
    In Dianas Traum zogen Sturmwolken auf. Das Lächeln verschwand. Ihre Kiefer spannten sich an.
    Er flüstert mir zu …
    Wer?
    Mein Vater …
    Dianas Herz setzte kurz aus, um dann umso heftiger weiterzuschlagen.
    Meinst du Caine?
    Mein Vater sagt, ich muss zu ihm kommen …
    Ich hab dich etwas gefragt: Meinst du Caine?
    »Meinst du Caine?« Diana war wach. Sie hatte eine Gänsehaut.
    Sie keuchte, ihre Stirn war nass geschwitzt und ihr ganzer Körper fühlte sich steif an.
    Andere Kids starrten zu ihr herüber. In der Finsternis konnte sie das leuchtende Weiß ihrer Augen sehen.
    Sie musste laut geschrien haben.
    »Ein Traum«, flüsterte sie. »Tut mir leid, Leute, geht wieder schlafen.«
    Sie wandte den Blick ab, ertrug es nicht, von ihnen angestarrt zu werden.
    »Meinst du Caine?«, flüsterte sie kaum hörbar.
    Keine Antwort. Doch das spielte keine Rolle. Sie hatte die Antwort gespürt, sie von Anfang an gewusst.
    Nein …
    Diana wickelte sich in die fadenscheinige Decke und ging an Deck. Sie brauchte frische Luft. Das lag wahrscheinlich an den Hormonen. Ihr Körper war völlig durcheinander.
    Orc saß mit dem Rücken zu ihr da. Auf den ersten Blick ein steinerner Koloss, doch mit den hängenden Schultern und dem geneigten Kopf hatte er immer noch etwas Menschliches.
    »Ist dir nicht kalt hier draußen?«, fragte Diana. Blöde Frage. Sie war sich nicht einmal sicher, ob Orc Wärme und Kälte überhaupt noch spüren konnte.
    Orc antwortete nicht.
    Diana trat näher an ihn heran. »Das mit Howard tut mir leid.« Sie hätte gerne etwas Nettes über den Dealer gesagt, es fiel ihr aber nichts ein.
    Sie fragte sich, ob Orc getrunken hatte. Wenn er betrunken war, konnte er gefährlich werden. Als er endlich den Mund aufmachte, sprach er klar und deutlich.
    »Ich hab im Buch nachgeschaut, aber nichts gefunden.«
    »Im Buch?«
    »Da steht nirgends, gesegnet sind die kleinen Gauner.«
    Oh, das Buch. Die Bibel. Diana bereute bereits, ihn angesprochen zu haben. Ihre Koje schien ihr auf einmal sehr verlockend, außerdem musste sie schon wieder pinkeln.
    »Howard war … eine Klasse für sich«, sagte sie und wusste selbst nicht, was sie damit meinte.
    »Er mochte mich«, erwiderte Orc. »Hat sich um mich gekümmert.«
    Ja, dachte Diana, er hat dafür gesorgt, dass du ständig hackedicht warst. Dich benutzt.
    »Ich sag ja nicht, dass er ein guter Mensch war«, fuhr Orc fort, als hätte sie laut gesprochen. »Aber das bin ich auch nicht. Das sind die wenigsten von uns.« Erinnerungen blitzten in Dianas Kopf auf. Von Dingen, die sie getan hatte. Die so schlimm waren, dass sie nicht einmal daran zu denken wagte. »Vielleicht stimmt ja, was in so einem Fall gesagt wird. Dass er jetzt an einem besseren Ort ist.«
    In Dianas Ohren klang das banal. Andererseits konnte sie sich sowieso keinen schlimmeren Ort als die FAYZ vorstellen.
    »Ich mach mir Sorgen, dass er jetzt in der Hölle ist«, sagte Orc mit rauer Stimme.
    Diana fluchte innerlich.

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