Gone 5: Angst (German Edition)
hatte wie ein kleines Kind, war er ihm überhaupt nicht clever vorgekommen.
Aus Drakes Kehle drang ein lustvolles Knurren. Es machte die Kojoten nervös.
Dann geschahen zwei Dinge gleichzeitig: Orc hievte sich über die Reling und stieg in ein kleines Ruderboot.
Perfekt! Jetzt müsste er nur noch warten, bis der Koloss angelegt und sich aus dem Staub gemacht hatte. Dann konnte er das Ruderboot kapern und Diana holen.
Zugleich wurde er aber auch von dem mulmigen Gefühl erfasst, das Brittney ankündigte.
Er knallte ärgerlich mit der Peitsche, die bereits auf ein Drittel ihrer normalen Länge geschrumpft war.
Drake biss sich rasch in den Zeigefinger und brachte ihn zum Bluten. In den paar Sekunden, die ihm noch blieben, sah er sich nach einer glatten Fläche um und schmierte das Wort Segelboot hin.
Zwanzig
17 Stunden, 20 Minuten
Sam schreckte in seinem Bett auf und wusste, dass etwas passiert war. Er blieb noch einen Augenblick in den zerwühlten Laken liegen und versuchte, das im Halbschlaf Wahrgenommene wie ein Puzzle zusammenzusetzen: Schritte, Geräusche, die undeutliche Erinnerung an ein im Flüsterton geführtes Gespräch.
Dann stand er auf, schlüpfte in seine Kleider und betrat den Flur. Auf dem Weg zur Treppe blieb er stehen, drehte sich um und sah, was er bereits geahnt hatte: Astrids Rucksack war verschwunden.
Er öffnete ihren Schrank. Die Schrotflinte war ebenfalls weg.
In diesem Moment kam Dekka die Treppe herunter und zuckte bei seinem Anblick zusammen. Ihre schuldbewusste Miene sprach Bände.
»Sie bringt ihnen die Briefe«, sagte Sam tonlos.
»Sie hat mich niedergeschlagen.« Dekka zeigte auf den blauen Fleck und wandte ihr Gesicht zur Seite, damit er die Stelle im Licht der kleinen Leuchtkugel besser sehen konnte.
Sam verzog spöttisch den Mund. »Verstehe«, knurrte er. »Astrid schlägt dich k. o.«
»Mit dem Gewehrkolben.«
»Das sehe ich. Ich weiß aber auch, was nötig ist, um dich umzuhauen.«
Dekka schnaubte zornig, aber sie wussten beide, dass er Recht hatte.
»Ich schicke ihr Brianna hinterher.«
»Astrid hat richtig gehandelt. Die Leute in Perdido Beach sollten wissen, was los ist. Wir müssen zusammenarbeiten. Jemand muss Caine und Albert die Briefe bringen.«
»Aber nicht Astrid«, fuhr Sam sie an. Er wollte sich an Dekka vorbeidrängen, um Brianna zu wecken, die immer noch schnarchend und völlig ahnungslos in ihrer Koje lag.
Dekka verstellte ihm den Weg. »Nein, Sam.«
Sam trat so nah an sie heran, dass sie sich beinahe berührten. »Dekka, du hast mir gar nichts zu befehlen.«
»Wenn du Brianna jetzt losschickst, kann zweierlei passieren: Entweder sie findet sie und bringt sie mit Gewalt zurück. Dafür würde Astrid dich hassen. Oder Brianna rennt mit hundertfünfzig Sachen gegen einen Felsen und ist auf der Stelle tot.«
Sam wollte schon zu einer zornigen Erwiderung ansetzen, doch ihm versagte die Stimme. »Drake ist da draußen«, stieß er hervor. Er wollte noch mehr sagen, aber der Kloß in seinem Hals ließ es nicht zu. Also deutete er nur mit dem Finger ins Landesinnere.
»Sie tut das Richtige«, sagte Dekka. »Und du wirst das Mädchen, das ich liebe, nicht in den Tod schicken, um das Mädchen zu retten, das du liebst.«
Sams Lippen bebten. Seine Empfindungen zogen ihm den Boden unter den Füßen weg. Er schluckte und schüttelte heftig den Kopf, als könnte er damit auch seine Verlustangst abschütteln. »Dann hole ich sie eben zurück.«
»Nein, das tust du nicht.« Edilio war hinter Dekka aufgetaucht. »Wenn die Kids morgen aufwachen und sehen, dass du ohne ein Wort der Erklärung verschwunden bist, war alles umsonst. Du musst stark sein. Und auch so aussehen. Sam, du hast das Licht, und das ist das Einzige, was sie bei Verstand halten wird.«
Im Mondlicht hoben sich Orcs Umrisse von den Felsbrocken ab. Astrid fragte sich, ob Sam wusste, dass Orc an Land gegangen war. Und ob sie ihn benachrichtigen sollte.
Nein, das hier war wichtiger. Sie musste nach Perdido Beach. Vielleicht wussten Caine und Albert bereits Bescheid. Vielleicht auch nicht. Wenn die Kids in der Stadt nicht vorbereitet waren, würden sie in Panik geraten und dann wären sie verloren.
Astrid beschleunigte ihre Schritte. Sie achtete darauf, stets auf dem Pfad zu bleiben. Sobald sie den See weit genug hinter sich gelassen hätte, wollte sie parallel zur Schotterstraße laufen, allerdings in einigem Abstand zu ihr. Sie war sich nicht sicher, ob das klug war. Aber wenn sie nach
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