Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

beim Schreiben schon immer besser als beim Reden. »Bevor wir beginnen«, sagte ich, »müssen Sie einen ganz wichtigen Zug von Amy verstehen: Sie ist einfach verflucht brillant. Ihr Hirn ist so aktiv, dass es immer auf mehreren Ebenen gleichzeitig arbeitet. Sie ist wie eine endlose archäologische Ausgrabung: Man glaubt, man hat die letzte Schicht erreicht, und dann holt man noch einmal mit der Hacke aus und entdeckt darunter wieder einen ganz neuen Minenschacht. Mit einem Labyrinth von Tunneln und bodenlosen Gruben.«
    »Gut«, sagte Tanner. »Also …«
    »Das Zweite, was Sie über Amy wissen müssen, ist, dass sie selbstgerecht ist. Sie gehört zu den Leuten, die nichts falsch machen, und sie liebt es, Lektionen zu erteilen und Strafen zu verhängen.«
    »Gut, fein, also …«
    »Lassen Sie mich eine Geschichte erzählen, nur schnell eine kurze Geschichte. Vor ungefähr drei Jahren sind wir nach Massachusetts gefahren. Es herrschte ein fürchterlicher, aggressiver Verkehr, und so ein blöder Lasterfahrer hat Amy den Stinkefinger gezeigt, weil sie ihn nicht reingelassen hat. Dann ist der Typ losgeheizt und hat ihr den Weg abgeschnitten. Nicht wirklich gefährlich, aber wir sind echt erschrocken. Sie kennen doch diese Schilder auf der Rückseite mancher Trucks: How Am I Driving? Da steht ja immer eine Telefonnummer, und Amy hat mich gezwungen, bei der Polizei anzurufen und denen die Nummer des Kerls durchzugeben. Ich dachte, damit wäre die Sache erledigt. Aber zwei Monate später – zwei Monate später – kam ich in unser Schlafzimmer, Amy war am Telefon und hat diese Nummer wiederholt. Sie hatte eine ganze Geschichte: Angeblich war sie mit ihrem zweijährigen Kind unterwegs gewesen, und der Fahrer hatte sie fast von der Straße abgedrängt. Sie hat gesagt, dass es ihr vierter Anruf war. Und sie hatte sogar die Route des Unternehmens recherchiert, damit sie die richtigen Highways für den Fast-Unfall nennen konnte. Sie hat an alles gedacht. Und sie war richtig stolz. Sie wollte dafür sorgen, dass der Typ gefeuert wird.«
    »Gott, Nick«, murmelte Go.
    »Das ist eine sehr … aufschlussreiche Geschichte, Nick«, sagte Tanner.
    »Es ist nur ein Beispiel.«
    »Also, dann helfen Sie mir mal, das alles zusammenzukriegen«, sagte er. »Amy findet raus, dass Sie sie betrügen. Sie fälscht ihren eigenen Tod. Sie sorgt dafür, dass der vermeintliche Tatort gerade so verdächtig wirkt, dass man die Augenbrauen hochzieht. Mit den Kreditkarten und der Lebensversicherung und Ihrer kleinen Höhle dort hinten hat Ihre Frau Sie gründlich über den Tisch gezogen …«
    »In der Nacht bevor sie verschwindet, fängt sie einen Streit mit mir an, und zwar direkt neben dem offenen Fenster, damit unsere Nachbarn es auch bestimmt mitkriegen.«
    »Worum ging es in dem Streit?«
    »Dass ich ein egoistisches Arschloch bin. Im Grund der gleiche Streit, den wir immer haben. Was unsere Nachbarschaft allerdings nicht mitkriegt, ist die Tatsache, dass Amy sich später entschuldigt. Ich meine, ich erinnere mich, dass ich mich gewundert habe, weil es die schnellste Versöhnung war, die wir je hatten. Am nächsten Morgen hat sie Crêpes für mich gemacht, Herrgott nochmal.«
    Ich sah sie wieder am Herd stehen, wie sie den Puderzucker vom Daumen leckte, und ich stellte mir mich vor, wie ich zu ihr ging und sie schüttelte, bis …
    »Okay, und die Schatzsuche?«, unterbrach Tanner meinen Tagtraum. »Was für eine Theorie gibt es dazu?«
    Alle Hinweise lagen aufgefaltet auf dem Tisch. Tanner nahm ein paar Briefchen in die Hand und legte sie wieder weg.
    »Das sind alles nur Bonus-Fickdichs«, erklärte ich. »Ich kenne meine Frau, glauben Sie mir. Sie wusste, dass sie die Schatzsuche organisieren musste, weil es andernfalls verdächtig ausgesehen hätte. Also hat sie es durchgezogen, und natürlich hat alles mindestens achtzehn verschiedene Bedeutungen. Schauen Sie sich nur den ersten Hinweis an.«
    Ich stelle mir vor, in die Schule zu gehn,
    Und mein Lehrer ist schön und so klug,
    Dass ich mich öffne in jedem Bereich, doch damit nicht genug.
    Bist du mein Lehrer, brauchst keine Blumen mir kaufen,
    musst nur vom Büro direkt zu mir laufen.
    Also beeil dich bitte – eins, zwei, drei,
    Denn diesmal bring ich dir was bei.
    »Das ist Amy in Reinkultur. Wenn ich das lese, dann denke ich: Hey, meine Frau flirtet mit mir . Aber nein, in Wirklichkeit bezieht sich das Ganze auf meine … auf meinen Seitensprung mit Andie. Fickdich Nummer