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Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Titel: Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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Talentwettbewerb: Man gibt sein Bestes, der Rest ist Sache der Juroren.
    Und ach, wie Ellen Nick hasst! Und wie sie mich liebt ! Aber ich wollte, meine Eltern würden nicht so eine Spezialbehandlung kriegen. Ich sehe sie in den Nachrichten, meine Mom total dünn, die Sehnen am Hals wie spindlige Baumäste, immer angespannt. Ich sehe, wie mein Dad vor Angst ganz rot wird, die Augen ein bisschen zu weit aufgerissen, das Lächeln zu breit. Er ist ein attraktiver Mann, aber allmählich wird er einer Karikatur immer ähnlicher, eine besessene Clown-Puppe. Ich weiß, ich sollte Mitleid mit ihnen haben, aber das hab ich nicht. Für sie war ich sowieso nie mehr als ein Symbol, ein zum Leben erwachtes Idealbild. Amazing Amy in Fleisch und Blut. Mach keinen Quatsch, du bist Amazing Amy. Unsere Einzige. Es liegt eine unfaire Verantwortung darin, ein Einzelkind zu sein – man wächst heran in dem Wissen, dass es einem nicht gestattet ist zu enttäuschen, man darf nicht einmal sterben, denn es krabbelt ja nirgends ein Ersatz herum, du selbst bist der Ersatz. Es bringt einen zur Verzweiflung, immer makellos sein zu müssen, und außerdem verfällt man in einen Machtrausch. So werden Despoten gemacht.

    Heute Morgen schlendere ich zu Dorothys Büro, um mir ein Mineralwasser zu holen. Das Büro ist ein winziger, holzverkleideter Raum. Der Schreibtisch scheint lediglich als Unterlage für Dorothys Schneekugel-Sammlung zu dienen, Souvenirs von Orten, die nicht unbedingt erinnerungswürdig erscheinen: Gulf Shores, Alabama. Hilo, Arkansas. Wenn ich Schneekugeln anschaue, sehe ich kein Paradies, sondern überhitzte Hillbillys mit Sonnenbrand, die mit der einen Hand heulende schwerfällige Kinder hinter sich herzerren, und in der anderen einen riesigen, nicht biologisch abbaubaren Styroporbehälter mit warmen süßen Getränken schleppen.
    Dorothy hat eins von diesen Siebzigerjahre-Kätzchen-im-Baum-Postern – Halt durch! So was meint sie ganz ehrlich. Ich stelle sie mir gern vor, wie sie einer wichtigtuerischen Tussi aus Williamsburg begegnet, mit Pony à la Bettie Page und spitz zulaufender Brille, und diese Tussi besitzt das gleiche Poster, aber natürlich total ironisch. Ich würde gerne hören, wie die beiden miteinander verhandeln. Ironische Leute geraten oft völlig aus der Fassung, wenn sie jemandem gegenüberstehen, der es ernst meint, das ist für sie wie Kryptonit für Superman. An der Wand über dem Getränkeautomaten hängt eine weitere Poster-Perle: ein Kleinkind, das auf dem Klo sitzt und schläft – zu müde zum Pinkeln . Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, es zu klauen, ich könnte einfach mit dem Fingernagel unter das alte vergilbte Klebeband fahren, während ich Dorothy mit ein bisschen Geplauder ablenke. Ich möchte wetten, dass ich bei eBay eine Stange Geld dafür kriegen würde – und es wäre mir sehr recht, wenn ein bisschen Bargeld reinkommt –, aber das kann ich nicht, weil ich damit eine elektronische Spur hinterlassen würde, darüber habe ich in all den True-Crime-Books schon eine Menge gelesen. Elektronische Spuren sind verhängnisvoll: Benutze nie ein Handy, das auf dich zugelassen ist, denn die Mobilfunkmasten können dich orten. Benutze nie deine Bank- oder Kreditkarte. Benutze nur öffentliche Computer, die stark frequentiert werden. Hüte dich vor den Kameras, die an jeder Straßenecke lauern, vor allem in der Nähe einer Bank, an einer viel befahrenen Kreuzung oder einem Lokal. Nicht dass es hier Lokale gäbe. In unserem Hüttenkomplex gibt es auch keine Kameras. Das weiß ich – ich habe Dorothy gefragt, unter dem Vorwand, dass ich mir Sorgen wegen unserer Sicherheit mache.
    »Unsere Gäste sind nicht gerade Big-Brother-Typen«, sagte sie. »Nicht, dass sie kriminell sind oder so, aber im Allgemeinen tauchen sie lieber nicht auf dem Radar auf.«
    Nein, es hat wirklich nicht den Anschein, als hätten sie es darauf abgesehen. Beispielsweise mein Freund Jeff, der einen seltsamen Tagesablauf hat und mit verdächtig großen Fischvorräten zurückkommt, die er in massiven Eistruhen aufbewahrt. In der hinteren Hütte wohnt ein Paar um die vierzig, vom Meth so ramponiert, dass sie aussehen wie mindestens sechzig. Die meiste Zeit bleiben sie in ihrer Hütte, nur manchmal unternehmen sie Ausflüge zur Waschküche, sausen mit wildem Blick, die Schmutzwäsche in Müllbeutel gepackt, über den Kiesparkplatz, als hätten sie einen ausgefeilten Frühjahrsputzplan. Hallohallo, sagen sie, immer

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