Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
her.
»Alles klar, Nick?«
»Wollen Sie die Wahrheit hören? Nein. Ich habe meine Frau total enttäuscht. Ich habe alles falsch gemacht. Ich hoffe nur, es ist noch nicht zu spät. Für mich. Für uns.«
»Sie sind am Ende Ihrer Kräfte. Emotional.«
Nick schaut direkt in die Kamera: »Ich will meine Frau zurück. Ich möchte, dass sie wieder da ist, hier bei mir.« Er holt tief Luft. »Ich bin nicht so gut, wenn es darum geht, Gefühle zu zeigen, das weiß ich. Aber ich liebe sie. Ich will, dass es ihr gutgeht. Es muss ihr einfach gutgehen. Ich hab bei ihr so viel wiedergutzumachen.«
»Was zum Beispiel?«
Er lacht, das traurige Lachen, das ich sogar jetzt anziehend finde. In besseren Zeiten hab ich es immer als Talk-Show-Lachen bezeichnet: ein kurzer Blick nach unten, der Daumen streicht ganz beiläufig über den Mundwinkel, das eingeatmete leise Lachen, wie ein charmanter Filmstar, der gleich eine Hammergeschichte erzählt.
»Na ja, das geht Sie eigentlich nichts an.« Er lächelt. »Ich habe einfach eine Menge wiedergutzumachen. Ich war nicht der Ehemann, der ich hätte sein können. Wir hatten ein paar harte Jahre, und ich … ich war ziemlich daneben. Ich hab uns aufgegeben. Ich meine, ich habe den Satz schon tausendmal gehört: Wir haben uns aufgegeben . Jeder weiß, das bedeutet das Ende einer Ehe – ein Satz aus dem Lehrbuch. Aber ich hab uns aufgegeben. Ich war es. Ich war nicht der Mann, der ich hätte sein sollen.« Nicks Lider sind schwer, seine Stimme so erschöpft, dass man sein leichtes Näseln bemerkt. Offensichtlich ist er nicht nur angeheitert, er braucht nur noch einen einzigen Drink, dann ist er sturzbetrunken, seine Wangen glühen vom Alkohol. Meine Fingerspitzen glühen ebenfalls, denn sie erinnern sich an die Hitze seiner Haut, wenn er ein paar Cocktails intus hatte.
»Und wie könnten Sie das bei ihr wiedergutmachen?« Die Kamera wackelt eine Sekunde; das Mädchen nimmt ihr Glas in die Hand.
»Wie werde ich es wiedergutmachen, lautet die Frage. Zuerst mal werde ich sie finden und nach Hause holen. Darauf können Sie wetten. Dann? Was immer sie von mir braucht, ich werde es ihr geben. Von jetzt an. Weil ich das Ende der Schatzsuche erreicht habe, und das hat mich in die Knie gezwungen. Demütig gemacht. Meine Frau hat sich mir gegenüber nie klarer ausgedrückt als jetzt. Ich war mir nie sicherer, was ich tun muss.«
»Wenn Sie Amy jetzt im Moment etwas sagen könnten, was wäre das?«
»Ich liebe dich. Ich werde dich finden. Das werde ich …«
Ich weiß, dass er kurz davor ist, den Satz von Daniel Day-Lewis aus Der letzte Mohikaner zu zitieren: »Bleib am Leben … ich werde dich finden.« Er kann einfach nicht widerstehen, jedes bisschen Ehrlichkeit mit einem kleinen Filmzitat abzufälschen. Ich spüre, wie er schwankt, direkt am Rand des Abgrunds. Aber dann unterbricht er sich.
»Ich werde dich immer lieben, Amy.«
Wie innig. Wie untypisch für meinen Ehemann.
Drei krankhaft dicke Leute auf Elektrorollern befinden sich zwischen mir und meinem Morgenkaffee. Ihre Ärsche quellen über die Sitze ihrer fahrbaren Untersätze, aber sie brauchen trotzdem noch ein McMuffin mit Ei. Drei Leute parken vor mir in der Schlange, im Innern von McDonald’s.
Eigentlich ist es mir egal. Trotz dieser Störung meiner Pläne bin ich seltsam gut gelaunt. Online ist das Video schon dabei, sich zu verbreiten, und die Reaktion darauf ist erstaunlich positiv. Vorsichtig optimistisch: Vielleicht hat der Typ seine Frau ja doch nicht umgebracht . Das ist, Wort für Wort, der häufigste Kommentar. Denn wenn Nick sich ein bisschen entspannt und Emotionen zeigt, ist alles da. Niemand kann dieses Video anschauen und glauben, dass er das nur spielt. Kein Schmierentheater nach dem Motto »ich schlucke den Schmerz«. Mein Mann liebt mich. Oder zumindest hat er mich gestern Abend geliebt. Während ich in meiner schäbigen kleinen Hütte, die nach schimmligen Handtüchern riecht, seinen Untergang plante, hat er mich geliebt.
Es reicht nicht. Natürlich weiß ich das. Ich kann meinen Plan nicht ändern. Aber ich kann eine Pause einlegen. Mein Mann hat die Schatzsuche beendet, und er ist verliebt. Und auch verzweifelt: Auf einer Wange habe ich ein Ekzem entdeckt, das schwöre ich.
Als ich das Auto vorfahre, sehe ich, dass Dorothy vor meiner Tür steht. Ihre Haare sind nassgeschwitzt von der Hitze, zurückgekämmt wie ein feiner Wall-Street-Pinkel. Sie hat die Angewohnheit, sich über die Oberlippe zu
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