Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Schlägerei, die pure Erregung, zum ersten Mal in meinem Leben ganz allein auf mich gestellt zu sein.
Nachdem ich zwei Minuten geheult habe – wenn es länger geht, läuft mir die Nase, das Gesicht quillt auf, aber bis zu diesem Punkt werden meine Lippen voller, meine Augen größer, meine Wangen rosiger. Während ich in Desis frische Schulter schluchze, zähle ich eins Mississippi, zwei Mississippi – schon wieder der Fluss –, und stoppe die Tränen nach genau einer Minute und achtundvierzig Sekunden.
»Es tut mir leid, dass ich nicht eher kommen konnte, Schätzchen«, sagt Desi.
»Ich weiß, dass Jacqueline immer einen engen Terminplan für dich macht«, sage ich. Desis Mutter ist ein heikler Punkt in unserer Beziehung.
Er mustert mich. »Du siehst sehr … sehr verändert aus«, sagt er schließlich. »Vor allem so voll im Gesicht. Und deine armen Haare sind …« Er unterbricht sich. »Amy, ich hätte nie gedacht, dass ich für etwas jemals so dankbar sein könnte. Erzähl mir, was passiert ist.«
Ich erzähle einen Schauerroman von Besitzgier und Wut, von rustikaler Mittlerer Westen-Brutalität, Heimchen-am-Herd-Schwangerschaft, animalischer Dominanz. Von Vergewaltigung und Pillen und Alkohol und Fäusten. Spitzen Cowboystiefeln, die einen in die Rippen treten, von Angst und Betrug, elterlicher Gleichgültigkeit, Isolation und Nicks endgültig verräterischen Worten: »Du kannst mich nicht verlassen, niemals. Ich werde dich umbringen. Ich werde dich finden, egal, wo. Du gehörst mir.«
Dass ich zu meiner eigenen und der Sicherheit meines ungeborenen Kindes verschwinden musste und dass ich auf Desis Hilfe angewiesen bin. Mein Retter. Meine Geschichte würde Desis Sehnsucht nach ruinierten Frauen befriedigen – jetzt war ich die kaputteste von allen. Vor langer Zeit, damals im Internat, hatte ich ihm von den nächtlichen Besuchen meines Vaters in meinem Schlafzimmer berichtet, wie ich in einem rüschenbesetzten rosa Nachthemd an die Decke starrte, bis er fertig war. Seit dieser Lüge hat Desi mich geliebt, ich weiß, er stellt sich vor, mit mir zu schlafen, wie sanft und beruhigend er sein würde, wenn er in mich eindringen, wie er mir über die Haare streichen würde. Ich weiß, dass er sich vorstellt, wie ich leise weine, während ich mich ihm hingebe.
»Ich kann nicht mehr zurück in mein altes Leben, Desi. Nick wird mich umbringen. Ich werde mich nie mehr sicher fühlen. Aber ich kann auch nicht mit ansehen, dass er ins Gefängnis kommt. Ich wollte einfach nur verschwinden. Mir war nicht klar, dass die Polizei annehmen würde, dass er es getan hat.«
Ich werfe einen hübschen Blick zu der Band auf der Bühne, wo ein skelettdünner Siebzigjähriger von der Liebe singt. Nicht weit von unserem Tisch wirft ein Kerl mit kerzengeradem Rücken und einem gepflegten Schnurrbart seine Tasse zu einem Mülleimer in unserer Nähe, trifft daneben und schrottet das Ding (ein Ausdruck von Nick). Ich wünschte, ich hätte eine etwas malerischere Umgebung ausgesucht. Und jetzt starrt der Typ mich auch noch an, neigt demonstrativ verwirrt den Kopf. In einem Comic würde er sich jetzt am Kopf kratzen und dabei ein gummiquietschendes Geräusch hervorrufen. Aus irgendeinem Grund denke ich: Er sieht aus wie ein Cop. Schnell wende ich ihm den Rücken zu.
»Nick ist der Letzte, wegen dem du dir Sorgen machen musst«, sagt Desi. »Überlass mir diese Sorge, ich kümmere mich darum.« Er streckt mir die Hand hin, eine alte Geste. Er ist mein Sorgenhüter, ein rituelles Spiel, das wir als Teenager gespielt haben. Ich tue so, als lege ich ihm etwas auf die Handfläche, und er schließt die Finger. Tatsächlich fühle ich mich danach besser.
»Nein, ich werde mich nicht darum kümmern, ich hoffe nämlich, dass Nick für das, was er dir angetan hat, sterben wird«, sagt er. »In einer gesunden Gesellschaft würde er das.«
»Tja, aber wir leben in einer kranken Gesellschaft, also muss ich mich weiter verstecken«, erwidere ich. »Findest du das schrecklich von mir?« Eigentlich kenne ich die Antwort schon.
»Natürlich, Schätzchen. Du tust nur das, was du tun musst. Es wäre Irrsinn, etwas anderes zu tun.«
Er fragt mich nicht nach der Schwangerschaft. Ich habe gewusst, dass er das nicht tun würde.
»Du bist der Einzige, der das alles weiß«, sage ich.
»Ich werde mich um dich kümmern. Was kann ich tun?«
Ich tue so, als zögerte ich, kaue auf der Lippe, schaue weg und dann wieder zu ihm. »Ich brauche ein
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