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Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Titel: Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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werden, sie strebten nach Hochglanz. Natürlich hatten alle den Film gesehen und stellten sich vor, wie sie durch Manhattan flitzten, den Latte Macchiato in der einen Hand, das Handy in der anderen, wie sie sich ganz bezaubernd beim Taxiheranwinken einen Designerabsatz abbrachen und einem charmanten, äußerst liebenswürdigen Seelenpartner mit entzückend weich fallenden Haaren in die Arme fielen. Woher sollten sie auch wissen, wie töricht, wie ignorant es war, so etwas als Hauptfach zu wählen? Eigentlich hatte ich vorgehabt, ihnen genau das klarzumachen und meine Entlassung als warnendes Beispiel zu benutzen. Aber ich hatte absolut kein Interesse daran, als tragische Figur gesehen zu werden – ich stellte mir vor, dass ich meine Geschichte ganz lässig und lustig erzählte –, alles kein Problem. So hatte ich wenigstens mehr Zeit für meinen Roman.
    Dann beantwortete ich im ersten Kurs so viele ehrfürchtige Fragen und verwandelte mich in so einen aufgeblasenen Schwätzer, so einen bedürftigen Esel, dass ich es nicht über mich brachte, die wirkliche Geschichte zu erzählen: wie ich bei der zweiten Entlassungswelle ins Büro gerufen wurde, wie ich den unheilvollen Weg durch die lange Reihe von Zellenbüros hinter mich brachte, wie sich alle Augen auf mich richteten, ein lebender Toter, wie ich trotzdem immer noch hoffte, dass man mir etwas anderes sagen wollte – beispielsweise, dass die Zeitschrift mich jetzt mehr denn je brauchte –, ja, es würde eine Motivationsrede sein, alle Mann an Deck! Aber nein, mein Chef sagte nur: Ich vermute, Sie wissen, warum ich Sie hierhergerufen habe, während er sich unter der Brille die Augen rieb, um zu demonstrieren, wie müde und deprimiert er war.
    Ich wollte mich wie ein glänzend-cooler Gewinner fühlen, deshalb erzählte ich meinen Schülerinnen nichts von meinem Niedergang. Stattdessen erklärte ich ihnen, dass ich mich hier um einen Krankheitsfall in der Familie kümmern musste, was ja auch stimmte, was absolut die Wahrheit war und obendrein noch sehr heldenhaft. Und die hübsche sommersprossige Andie saß direkt vor mir, weit auseinanderliegende blaue Augen unter schokobraunen Haarwellen, volle, leicht geöffnete Lippen, lachhaft große echte Brüste, lange dünne Arme und Beine, eine fremdartige Sexpuppe von einem Mädchen – einen krasseren Gegensatz zu meiner eleganten Patrizierfrau konnte man sich kaum vorstellen. Andie verströmte Körperwärme und Lavendelduft, tippte klickend Notizen auf ihrem Laptop und stellte mit heiserer Stimme Fragen wie: »Wie bekommt man eine Quelle dazu, einem zu vertrauen und mit einem zu reden?« Und in diesem Moment konnte ich nur denken: Woher zum Teufel ist dieses Mädchen gekommen? Soll das ein Witz sein?
    Man fragt sich Warum ? Ich war Amy immer treu. Ich war der Mann, der in der Bar lieber schnell aufgebrochen ist, wenn eine Frau zu heftig flirtete oder wenn ihre Berührung sich zu gut anfühlte. Ich war kein Betrüger. Ich mag (mochte?) keine Betrüger: unehrlich, respektlos, kleinlich, verwöhnt. Ich hatte standgehalten. Aber damals war ich auch glücklich gewesen. Ich möchte ungern glauben, dass die Antwort so einfach ist, aber ich war mein Leben lang glücklich gewesen, aber jetzt war ich es nicht mehr, und da kam Andie, hing nach dem Kurs noch rum, stellte mir Fragen über mich, die Amy mir nie stellte, jedenfalls in letzter Zeit nicht mehr. Sie gab mir das Gefühl, ein wertvoller Mensch zu sein, nicht der Idiot, der seinen Job verloren hatte, der Depp, der vergessen hatte, den Klositz runterzuklappen, der Schussel, der es einfach nicht richtig machen konnte, ganz egal, was.
    Eines Tages brachte Andie mir einen Apfel mit. Einen Red Delicious (Titel der Erinnerungen an unsere Affäre, falls ich jemals darüber schreibe). Sie bat mich, ihren Artikel anzusehen. Es war das Profil einer Stripperin in einem Club in St. Louis, und es las sich wie ein Leserbrief im Penthouse Forum , und während ich mit Lesen beschäftigt war, begann Andie, meinen Apfel zu essen, beugte sich über meine Schulter, eine absurde Saftperle auf der Lippe, und ich dachte, Heilige Scheiße, das Mädchen will mich verführen, dümmlich schockiert, ein alternder Benjamin Braddock [1]   .
    Es funktionierte. Allmählich wurde Andie für mich eine Zuflucht, eine Gelegenheit. Eine Option. Wenn ich heimkam, lag Amy zusammengerollt auf dem Sofa, starrte an die Wand, stumm, ohne etwas zu mir zu sagen, immer wartete sie, ständig musste ich

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