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Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Titel: Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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eigentlich keine Phobien, aber diese beiden sind massiv – ich gehöre zu den Mädchen, die beim kleinsten Schnitt umkippen. Es hat irgendetwas mit dem Öffnen der Haut zu tun: Schälen, Schneiden, Stechen. Bei der Chemo mit Maureen habe ich immer weggeschaut, wenn sie ihr die Nadel gelegt haben.
    »Hi, Cayleese!«, ruft Maureen beim Hereinkommen, und eine schwere schwarze Frau in vage medizinischer Uniform antwortet: »Hi, Maureen! Wie geht’s?«
    »Oh, mir geht’s gut – und wie geht’s Ihnen?«
    »Wie lange machst du das schon?«, frage ich.
    »Eine Weile«, antwortet Maureen. »Cayleese mögen alle am liebsten, weil sie echt gut Nadeln legen kann. Was für mich immer besonders toll war, weil ich Rollvenen habe.« Sie streckt mir ihren Unterarm mit den blauen Adern entgegen. Als ich Maureen kennengelernt habe, war sie dick, aber jetzt nicht mehr. Seltsam, aber dick hat sie besser ausgesehen. »Siehst du? Versuch mal, den Finger auf eine zu legen.«
    Ich schaue mich um und hoffe, dass Cayleese uns gleich reinkomplimentieren wird.
    »Komm, versuch es.«
    Ich lege eine Fingerspitze auf die Vene und spüre, wie sie wegrollt. Sofort überschwemmt mich ein Hitzeschwall.
    »Na, ist das unser Neuzugang?«, fragt Cayleese, die auf einmal neben mir steht. »Maureen gibt schon die ganze Zeit mit Ihnen an. Also, wir müssen ein paar Formulare ausfüllen …«
    »Tut mir leid, aber ich kann das nicht. Ich ertrage keine Nadeln, ich ertrage kein Blut. Ich habe eine massive Phobie. Ich kann das nicht, echt.«
    Auf einmal merke ich auch, dass ich heute noch nichts gegessen habe, und eine Welle von Schwindel überkommt mich. Mein Hals fühlt sich irgendwie schwach an.
    »Hier ist alles sehr hygienisch, Sie sind in sehr guten Händen«, beteuert Cayleese.
    »Nein, darum geht es nicht, ehrlich. Ich hab noch nie Blut gespendet. Mein Arzt wird immer sauer auf mich, weil ich nicht mal einen jährlichen Bluttest schaffe, beispielsweise Cholesterin.«
    Also warten wir stattdessen. Es dauert zwei Stunden, Vicky und Rose sind an dröhnende Apparate angeschlossen, die mich ein bisschen an Erntemaschinen erinnern. Am Finger haben sie eine Markierung, die unter einem roten Licht zum Vorschein kommt – damit sie nicht öfter als zweimal pro Woche spenden.
    »Das ist der James-Bond-Teil«, erklärt Vicky, und alle kichern. Maureen summt den James-Bond-Titelsong (glaube ich jedenfalls), und Rose formt die Finger zu einem Revolver.
    »Könnt ihr Hühner vielleicht mal ein bisschen leise sein?«, ruft eine weißhaarige Frau vier Plätze weiter, reckt sich über die drei öligen Männer, die zwischen ihnen liegen – grün-blaue Tätowierungen auf den Armen, Stoppeln auf dem Kinn, die Art Männer, von denen ich mir vorgestellt habe, dass sie Plasma spenden –, und wackelt drohend mit dem Finger ihrer freien Hand.
    »Mary! Ich dachte, du kommst erst morgen!«
    »Wollte ich auch, aber ich krieg mein Arbeitslosengeld erst in einer Woche, und ich hab nur noch eine Packung Müsli und eine Dose Mais zu Hause!«
    Wieder lachen alle, als wäre Fast-Verhungern ein Witz – diese Stadt ist mir manchmal echt zu viel mit ihrer Hoffnungslosigkeit und ihrem Leugnen. Allmählich wird mir übel, das Geräusch des Bluts, das durchgerüttelt wird, die langen Plastikschläuche voller Blut, das aus den Körpern in die Maschinen fließt, die Menschen, die, na ja, die gemolken werden. Wo ich auch hinschaue, überall ist Blut, draußen im Freien, wo Blut nicht hingehört. Tief dunkelrot, beinahe lila.
    Ich stehe auf, gehe zur Toilette und spritze mir Wasser ins Gesicht. Aber ich mache grade mal zwei Schritt, da gehen meine Ohren zu, mein Horizont schränkt sich ein, ich spüre meinen Herzschlag, mein eigenes Blut, und während ich umkippe, sage ich noch: »Oh. Sorry.«
    An die Heimfahrt kann ich mich kaum erinnern. Maureen stopft mich ins Bett, bringt mir ein Glas Apfelsaft, ein Schälchen Suppe. Wir versuchen Nick anzurufen. Go sagt, er ist nicht in der Bar, und er geht auch nicht an sein Handy.
    Mein Mann verschwindet einfach.
    »So war er schon als Junge – ein Streuner«, sagt Maureen. »Für ihn war Hausarrest immer die schlimmste Strafe.« Sie legt mir einen kühlen Waschlappen auf die Stirn, ihr Atem riecht herb nach Aspirin. »Du musst dich ausruhen, okay? Ich versuche weiter, Nick zu erreichen, so lange, bis ich ihn nach Hause geholt habe.«
    Als Nick dann kommt, schlafe ich. Als ich aufwache und höre, dass er duscht, schaue ich auf die Uhr.

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