Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
23 Uhr 04. Dann ist er wohl doch noch zur Bar gegangen – er duscht gern nach einer Schicht, um den Geruch nach Bier und salzigem Popcorn von der Haut zu kriegen. (Sagt er.)
Als er ins Bett schlüpft, drehe ich mich mit offenen Augen zu ihm um, und er sieht bestürzt aus, als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich wach bin.
»Wir haben seit Stunden versucht, dich zu erreichen«, sage ich.
»Mein Akku war tot. Du bist ohnmächtig geworden?«
»Ich dachte, dein Akku war tot.«
Er hält inne, und ich weiß, dass er gleich lügen wird. Das schlimmste Gefühl: wenn man warten und sich auf eine Lüge gefasst machen muss. Nick ist altmodisch, er braucht seine Freiheit, er mag keine langen Erklärungen. Wenn er seit einer Woche Pläne mit seinen Freunden hat, sagt er mir trotzdem erst eine Stunde vor Beginn des Pokerspiels ganz lässig: »Hey, ich wollte heute Abend mit den Jungs pokern, wenn das für dich okay ist«, und wenn ich etwas anderes vorhatte, hab ich nur die Wahl, die Buhfrau zu sein. Man möchte ja auf keinen Fall die Ehefrau sein, die ihren Ehemann am Pokerspielen hindert – der Hausdrache mit den Lockenwicklern und dem Nudelholz. Also schluckt man seine Enttäuschung und macht gute Miene zum bösen Spiel. Ich glaube nicht, dass er sich aus Gemeinheit so verhält, er ist einfach so erzogen. Sein Dad hat sein eigenes Ding gemacht, und seine Mom hat sich damit arrangiert. Bis sie irgendwann die Scheidung eingereicht hat.
Er beginnt, seine Lüge zu erzählen. Ich höre ihm nicht mal mehr zu.
Nick Dunne
Fünf Tage danach
Ich lehnte an der Tür und starrte meine Schwester an. Ich konnte Andie noch riechen und wollte diesen Moment gern eine Sekunde lang für mich selbst auskosten, denn jetzt, wo sie weg war, erfreute mich der Gedanke an sie. Sie schmeckte immer nach Karamell und roch nach Lavendel. Lavendel-Shampoo, Lavendel-Lotion. Lavendel bringt Glück, erklärte sie mir einmal. Jetzt brauchte ich ein bisschen was davon.
»Wie alt ist sie?«, fragte Go, die Hände in den Hüften.
»Damit möchtest du also anfangen?«
»Wie alt ist sie, Nick?«
»Dreiundzwanzig.«
»Dreiundzwanzig. Genial.«
»Go, jetzt mach doch nicht …«
»Nick, ist dir eigentlich klar, dass du am Arsch bist?«, sagte Go. »Am Arsch und strohdoof.« Sie schleuderte mir das strohdoof – ein Kinderwort – so hart entgegen, dass ich mir vorkam, als wäre ich wieder zehn Jahre alt.
»Es ist keine ideale Situation«, räumte ich leise ein.
»Keine ideale Situation! Du bist … du bist ein Betrüger, Nick. Ich meine, was ist los mit dir? Du warst doch immer einer von den Guten. Oder war ich die ganze Zeit ein Idiot?«
»Nein.« Ich starrte auf den Boden, auf die gleiche Stelle, auf die ich als Kind gestarrt hatte, wenn meine Mom mir erklärte, dass ich besser war als das, was immer ich gerade angestellt hatte.
»Und? Du bist ein Mann, der seine Frau betrügt , das kannst du nie wieder ungeschehen machen«, sagte Go. »Gott, nicht mal Dad ist fremdgegangen. Du bist so – ich meine, deine Frau ist verschwunden, Amy ist Gott weiß wo, und du knutschst hier rum mit einer kleinen …«
»Go, mir gefällt diese revisionistische Geschichte, in der du Amys Verteidigerin bist. Ich meine, du hast Amy nie gemocht, nicht mal am Anfang, und seit all das passiert ist, kommt es mir plötzlich vor, als …«
»Als hätte ich plötzlich Mitleid mit deiner verschwundenen Frau? Jawohl, Nick. Ich mache mir Sorgen um sie. Ja, das tu ich. Erinnerst du dich, dass ich gesagt habe, du benimmst dich seltsam? Du bist – es ist einfach verrückt, wie du dich aufführst.«
Sie ging im Zimmer umher und kaute am Daumennagel. »Wenn die Polizei das rausfindet, dann … ich weiß auch nicht«, begann sie. »Ich hab verdammt Angst, Nick. Zum ersten Mal hab ich richtig Angst um dich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die noch nichts davon wissen. Die haben doch bestimmt dein Telefonregister überprüft.«
»Ich hab ein Wegwerfhandy benutzt.«
Einen Moment starrte sie mich wortlos an. »Das ist ja noch schlimmer. Das ist … wie Vorsatz.«
»Vorsätzlicher Betrug, Go. Ja, dessen bin ich schuldig.«
Sie warf sich aufs Sofa, und die neue Realität sickerte langsam ein. Um ehrlich zu sein, war ich erleichtert, dass Go jetzt Bescheid wusste.
»Wie lange geht das schon?«, fragte sie schließlich.
»Etwas über ein Jahr.« Ich zwang mich, vom Boden aufzublicken und sie direkt anzusehen.
Ȇber ein Jahr? Und du hast mir nichts
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