GONE Hunger
war. Als er die im Boden steckenden Werkzeuge sah, konnte er sich keinen Reim darauf machen.
Die Steuerzentrale war verlassen und dunkler als sonst. Ein paar Notlampen leuchteten, die Computer und Instrumente waren alle noch an, aber weit und breit war keine Menschenseele.
Auf dem Fußboden erblickte er eine verschmierte Pfütze aus klebrigem Blut. Und rote Fußabdrücke.
Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit dieser Stille. Wo war Caine? Wo war Drake?
Das Kraftwerk war ein riesiger Komplex, sie konnten überall sein. Ihn an hundert verschiedenen Stellen erwarten und im Hinterhalt liegen, bis er um eine Ecke kam. Caine konnte ihn treffen, bevor er eine Chance hatte, sich zu wehren.
Sam blieb unsicher stehen. Was lief hier? Hätte er doch Edilio gebeten, Brianna herzuschicken! Sie hätte das Kraftwerk in zwei Minuten durchsucht.
Denk nach!, befahl er sich. Geh alle Möglichkeiten der Reihe nach durch. Sie waren hier, um Uran zu stehlen. Ihre Beute wollten sie zur Mine bringen. Wie würden sie vorgehen? Wo wären sie?
Beim Reaktor natürlich. Dort, wo sich das tödliche Metall befand.
»Kein schöner Gedanke«, sagte Sam laut in den verlassenen Raum.
Er kehrte in den Korridor zurück und folgte den Hinweisschildern an der Wand.
Normalerweise war der Eingang zum Reaktorgebäude durch eine massive Stahltür versperrt. Caine hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie hinter sich zu schließen.
Sam betrat das Gebäude und gelangte in einen langen, schlecht beleuchteten und hallenden Flur, der zu einer zweiten Stahltür führte. Sie stand ebenfalls offen.
Anscheinend absichtlich. Für ihn. Warum? Weil Caine den Bereich radioaktiv verseucht hatte? Nahm sein Körper bereits eine tödliche Strahlendosis auf?
Nein. So kurzsichtig war Caine nicht, denn wenn das Areal kontaminiert wäre, könnte er den Strom nie wieder einschalten. Einer Sache war sich Sam ganz sicher: Caine würde früher oder später wieder elektrischen Strom haben wollen, und sei es nur, um ihn zu kontrollieren.
Das ergab Sinn. Nahm ihm aber nicht die Furcht. Wenn Caine den Ort tatsächlich kontaminiert hatte, war Sam ein zum Tode Verurteilter auf dem Weg zur Vollstreckung.
Er betrat den Reaktorraum, in dem trotz seiner gewaltigen Höhe eine stickige, fast unerträgliche Hitze herrschte. Es war unmöglich, beim Anblick des Reaktorkerns, dieses unwirklich blauen Wasserbeckens voller aufgestauter Energie, keine Furcht zu empfinden. Unmöglich zu verdrängen, wofür er stand.
Sam ging um ihn herum, angespannt, auf der Hut, bereit zum Angriff. Auf halbem Weg, am anderen Ende des Beckens, erwartete ihn Drake. Er stand auf dem Steg, lehnte lässig an einem Steuerbord und ließ seine Peitschenhand träge auf und ab schwingen.
»Hey, Sam.«
»Drake.«
»Weißt du, was cool ist? In der Schule hab ich nie richtig aufgepasst, aber nur, weil ich damals noch keine Ahnung hatte, wie nützlich das ganze Zeug hier sein kann.« Drake zog etwas aus der Tasche, was wie eine überdimensionale Fernsteuerung aussah. Er drückte auf einen Knopf.
Und löste einen Alarm aus.
»Geh da weg!«, schrie Sam über den Lärm der Sirene.
»Ich werde dir wehtun, Sam. Und du wirst dich damit abfinden müssen.«
»Was hast du vor, Drake?«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es hier diese Steuerstäbe. Sobald sie eingefahren sind, schaltet sich der Reaktor ab. Wenn du ein paar rausziehst, fährt er hoch. Ziehst du alle raus, löst du eine Kernschmelze aus.«
Dutzende schmaler Stäbe schoben sich aus dem gespenstisch blauen Becken.
»Drake, du bluffst.«
Drake grinste. »Wie du meinst, Sam. Aber überleg dir mal, wie deine hübsche kleine Astrid aussehen wird, wenn ihr die Haare büschelweise ausfallen.«
Er drehte die Fernsteuerung um, um sie Sam zu zeigen. »Siehst du den Knopf hier? Er sorgt dafür, dass die Steuerstäbe wieder einfahren. Und alle am Leben bleiben. Wenn niemand auf den Knopf drück t … tja. Jack meint, wir beide werden dann ziemlich schnell sterben. Alle anderen in der FAYZ krepieren langsam.«
»Du würdest aber auch draufgehen.« Sam versuchte, Zeit zu schinden. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken auf der Suche nach einem Ausweg, einer Möglichkeit, Drake irgendwie zu stoppen. War Drake verrückt genug, u m …? Ja, eindeutig.
Der Alarm wurde immer lauter. Er klang wie ein elektronischer Schrei.
»Ich mach mir keine Sorgen, Sam, weil du das nicht zulassen wirst!«, kreischte Drake über den Lärm hinweg.
»Drak e …«
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