GONE Hunger
Sam richtete die Handflächen auf ihn.
Drake streckte seinen menschlichen Arm über den Rand des leuchtenden Beckens. Die Fernsteuerung hing zwischen zwei Fingern.
»Wenn ich sie fallen lass e …«, warnte Drake.
Sam senkte die Hände.
Der Alarm dröhnte in seinem Kopf. Wie viele Minuten blieben ihm? Wie viele Sekunden? Die Steuerstäbe stiegen unaufhaltsam nach oben. Wie lange, bis es zu spät war?
Schon wieder versagt, dachte Sam stumpfsinnig.
»Möchtest du denn gar nicht wissen, was ich will?«, schrie Drake.
»Mich«, erwiderte Sam. »Du willst mich.«
»Richtig, Sam. Und du wirst da stehen bleiben und nichts unternehmen. Sons t …«
»Aaaaaah!«, schrie Sam, als Drake erneut zuschlug.
Und ausholte und noch einmal zuschlug.
Sam lag auf den Knien und weinte.
Weinte wie ein Baby. Seine gellenden Schreie verschmolzen mit dem Heulen der Sirene.
Drake bedauerte, keine Kamera dabeizuhaben. Wenn er diesen Moment auf Video hätte, könnte er ihn sich immer wieder ansehen.
Der große Sam Temple, blutüberströmt auf dem Boden kauernd und vor Schmerz brüllend, während Drake seine Peitsche ein ums andere Mal auf ihn niedersausen ließ.
»Tut das weh, Sam?«, höhnte Drake. »Mir hat es wehgetan, als du meinen Arm verbrannt hast. Meinst du, es tut genauso weh?«
Er schlug wieder zu.
Zur Belohnung hörte er ein schreckliches Stöhnen.
»Angeblich hab ich mich angepinkelt, als sie mir den Stumpf abgeschnitten haben!«, schrie Drake. »Was ist, Sam? Hast du dir schon in die Hose gemacht?«
Sam lag inzwischen auf der Seite und schützte mit den Armen sein Gesicht. Beim letzten Hieb hatte er nicht einmal mehr geschrien. Nur noch gezuckt.
»So, jetzt wollen wir dein hübsches Gesicht ein wenig verunstalten«, knurrte Drake und holte aus, um mit ganzer Kraft zuzuschlagen.
Die Peitsche sauste herunter.
Im selben Augenblick schien etwas Unscharfes an ihm vorbeizuhuschen. Drake hörte sich vor Schock aufschreien. Zuerst tat es nicht einmal weh, er spürte nichts, nu r …
Ein halber Meter seines Tentakels wand sich wie eine sterbende Schlange auf dem Boden. Aus seinem Arm spritzte Blut. Drake hob ihn vors Gesicht und starrte ungläubig auf den Stumpf.
Der Draht war aus dem Nichts aufgetaucht. Das eine Ende war um eine Leiter zum Steg gewickelt, das andere Ende lag fest gespannt in Briannas Hand.
»Hey, Drake!«, rief sie. »Ich hab gehört, du wolltest mich mit Draht zerstückeln. Gute Idee.«
Drake blickte sie mit offenem Mund an, fassungslos über seine plötzliche Niederlage.
Das abgeschnittene Ende seines Arms zuckte weiter. Als hätte es sich verselbstständigt.
»Die Fernsteuerung!«, rief Sam.
Drake spreizte die Finger.
Ließ die Fernsteuerung fallen.
»Breeze!«, schrie Sam.
Drake machte kehrt und floh.
Brianna konnte sich übermenschlich schnell bewegen, aber ihr Gehirn arbeitete mit normaler Geschwindigkeit. Daher benötigte sie den Bruchteil einer Sekunde, um die Fernsteuerung fallen zu sehen, und einen weiteren, um zu begreifen, dass sie sehr wichtig sein musste. Sonst hätte Sam nicht so geschrien. Erst dann ging ihr auf, dass das leuchtende Blau gar kein Swimmingpool war.
Die Fernsteuerung fiel.
Brianna hechtete los.
Ihre Hand packte die Fernsteuerung, als sie sich wenige Millimeter über der Wasseroberfläche befand.
Wenn sie selbst ins Wasser stürzt e …
Sie wirbelte in der Luft herum und stieß sich mit aller Kraft von den aufsteigenden Steuerstäben ab.
Elegant war das nicht. Sie flog über den Rand des Beckens und schlitterte über den Boden.
Aber sie hatte die Fernsteuerung. Was jetzt?
»Sam? Sam?«
Sam antwortete nicht. Sie war mit einem Satz bei ihm, drehte ihn auf den Rücken und sah erst jetzt, was Drake angerichtet hatte.
»Sam?«, schluchzte sie.
»Roter Knopf«, röchelte er.
Achtunddreissig
53 Minuten
Edilios Hände hielten das Lenkrad so fest umklammert, dass er sich fast die Finger brach. Dekka bemerkte es. Außerdem knirschte er mit den Zähnen, und als er einen vergeblichen Versuch unternahm, seine Kiefer zu entspannen, bemerkte Dekka das auch.
Sie sagte nichts. Dekka war kein gesprächiger Mensch. Behielt ihre Wünsche und Hoffnungen für sich. Ihre Gefühle gingen nur sie etwas an. Und seine Angst sollte man sowieso besser verbergen. Wer seine Angst zeigte, hatte in der Regel schon verloren.
In Perdido Beac h – und davor in Coate s – wurde ihre Verschlossenheit als Feindseligkeit ausgelegt. Dabei war sie gar nicht feindselig. Aber in Coates,
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