GONE Hunger
Leader aufjaulen hörte, empfand sie eine unbeschreibliche Genugtuung. Kurz sah sie noch die schwarzen Konturen des Kojoten, der auf sie zusprang und sein Ziel verfehlte. Dann raste sie auch schon an ihm vorbei, den Pfad zurück. Und während sie rannte, schrie sie. Aber nicht aus Angst.
Lana schrie aus Trotz.
Sie triumphierte.
Sie hatte den Schlüssel.
Siebenundzwanzig
17 Stunden, 48 Minuten
Brianna schlug die Augen auf.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich zurechtfand. Mit den Schmerzen kehrte die Erinnerung zurück. Ihre gesamte linke Seite, vom Oberarm über die Hüfte und ihr Bein bis hin zum Knöchel, tat scheußlich weh.
Sie trug eine Jeansjacke über einem T-Shirt und dazu Shorts und Turnschuhe. An der linken Schulter und am Oberarm war der Stoff weggescheuert. Den Shorts fehlte seitlich ein Oval von der Größe ihrer Hand.
Sie war mit Höchstgeschwindigkeit auf dem Dach gelandet und über den Beton wie über Schmirgelpapier geschlittert. Dabei hatte sie sich buchstäblich die Haut abgezogen.
Sie lag auf dem Rücken, die Augen zu den Sternen gerichtet. Das Brennen der offenen Wunden war unbeschreiblich, als würde sie in Flammen stehen. Im Vergleich dazu waren ihre höllischen Kopfschmerzen fast schon harmlos.
Brianna erhob sich schwerfällig und nach Luft ringend. Auf dem Dach des Kraftwerks war es erschreckend hell. Als sie ihre Wunden in Augenschein nahm, schienen sie im grellen Neonlicht blau zu bluten. Keine lebensgefährlichen Verletzungen, beruhigte sie sich, sie würde deshalb nicht sterben. Aber, Mann, tat das weh! Und es würde so bald nicht wieder aufhören.
Das hast du davon, wenn du mit dreihundert Sachen auf Beton aufschlägst, sagte sie sich. Ich sollte einen Helm tragen und Lederzeug. Wie diese Motorradheinis.
Der Gedanke bot eine willkommene Ablenkung. Einen Augenblick lang malte sie sich ihr eigenes Superheldenoutfit aus: Helm, schwarzes Leder, ein paar Aufnäher mit Blitzen drauf.
Ihre Landung auf dem Flachdach hätte schlimmer ausgehen können. Wenn sie jemand anders gewesen wäre, hätte sie sich beide Arme und Beine gebrochen und das Genick dazu.
Aber weil sie Breeze war und nicht irgendwer, hatte sie die Geistesgegenwart bewiesen, ihre Fäuste und Fersen schnell genug in den Beton zu rammen und ein garantiert tödliches Überschlagsmanöve r – gerade noc h – in ein extrem schmerzhaftes Schlittern zu verwandeln.
Sie bewegte sich hinkend zum Rand des Dachs. Es war blöderweise so gebaut, dass sich die Kanten nach unten bogen und keinen Neunziggradwinkel bildeten. Sie sah zwar das Tor und den Parkplatz, alles in gleißendes Licht getaucht, sie sah die dunklen Berge und das Meer, jedoch nicht, was direkt unter ihr passierte.
Okay, das war eine ziemlich dumme Idee, gestand sich Brianna ein.
Sie hatte zu fliegen versucht und ihre Geschwindigkeit für eine Art superschnelles Bockspringen eingesetzt, mit dem sie sich immer höher in die Luft und schließlich auf das Dach des Gebäudes katapultiert hatte.
Als sie es sich überlegt hatte, war ihr das alles vollkommen logisch vorgekommen. Sam hatte ihr verboten, die Steuerzentrale des Kraftwerks zu betreten. Andererseits sollte sie sich ein Bild machen und herausfinden, wo Caines Leute postiert waren. Also hatte sie sich gedacht: Wo wäre die Aussicht besser als auf dem Dach des Turbinengebäudes?
Mit dem Gedanken zu fliegen hatte Brianna schon länger gespielt. Der Plan war relativ einfach: Sie müsste nur möglichst schnell rennen, auf etwas draufspringen, das schon eine gewisse Höhe hatte, und den Schwung nutzen, um auf etwas noch Höheres zu gelangen. Dazu musste man kein Raketentechniker sein. Im Grunde war es nichts anderes, als einen Fluss von Stein zu Stein hüpfend zu überqueren. Oder zwei Treppenstufen auf einmal zu nehmen. Bloß waren in ihrem Fall die Stufen ein geparkter Minivan gewesen, ein niedriges Bürogebäude und als Letztes das Turbinengebäude selbst.
Bei den ersten beiden Stufen hatte alles noch wunderbar geklappt. Brianna hatte Anlauf genommen und auf fast fünfhundert Stundenkilometer beschleunigt, war auf das Dach des Minivans gesprungen und von dort aus weiter auf das Bürogebäude. Sie hatte dabei kaum an Geschwindigkeit verloren, den Verlust mit sechs glühenden Schritten wieder wettgemacht und zum Sprung auf den massiven Betonblock angesetzt.
Von da an war die Sache brenzlig geworden. Ihr Sprung geriet zu kurz. Anstatt wie geplant auf dem flachen Teil des Dachs aufzusetzen, wie ein Flugzeug
Weitere Kostenlose Bücher