Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)
sage ich dir: Ich werde nie so sein wie er. Ich werde immer für meine Frau und meine Kinder da sein, egal was kommt.«
Das erinnerte mich daran, dass er noch andere Verpflichtungen hatte. Es versetzte mir zwar einen Stich ins Herz, aber ich versuchte, unbekümmert zu klingen. »Was ist mit Vivian?«
»Sie weiß ja nicht mal, dass mein Vater noch lebt.«
»Nein, ich meine, was ist mit Vivian und dir?«
Er strich mir sanft über die Schläfe. »Keine Vivian mehr. In dem Moment, als Mama ihren Herzinfarkt hatte und zusammenbrach, wusste ich, dass ich nur dich wollte. Ich musste dich sofort sehen. Es hat immer nur dich gegeben.«
Ich schaffte es nicht, Wut und Verletzung aus meiner Stimme zu verbannen. »Lange Zeit schien es aber nur Vivian für dich zu geben.«
Er drehte sich von mir weg und starrte an die rissige Decke. »Es war schön, zur Abwechslung mal nicht wie ein Aussätziger behandelt zu werden.«
»Ich habe dich nur so behandelt, weil ich dich so toll fand«, antwortete ich steif.
Im Profil sah ich, dass er lächelte. »Echt? Manchmal habe ich mir gestattet, das zu glauben. Aber nachdem wir … äh, du weißt schon, in der Toilette damals … danach hast du mich nur noch ignoriert.«
»Du hattest eine Freundin, schon vergessen?«
»Na ja, das hat meine Verwirrung jedenfalls nicht gerade kleiner gemacht. Ich bin nicht wie du, Kimberly. Ich bin nur ein dummer Kerl. Ich bin kein Held aus einem Kung-Fu-Film, der gekommen ist, um euch zu retten.«
»Du brauchst uns nicht zu retten. Das mache ich schon selbst.«
Er lachte. »Ich weiß. Und wie du das machst. He, und was ist mit diesem Wellenspieler, mit dem ich dich an der Schule gesehen habe?« (Ein »Wellenspieler« ist ein Playboy, jemand, der in den Wellen herumtollt.) Beim Gedanken an Curt blähten
sich seine Nasenflügel. »Wenn er dich noch einmal anfasst, drehe ich ihm den Hals um.«
»Lass uns das klipp und klar festlegen«, sagte ich. »Nur du und ich von jetzt an.«
Nachdem er gegangen war, versuchte ich, die Flecken aus den Decken zu entfernen, damit Mama keinen Verdacht schöpfte, wenn sie nach Hause kam. Dann stutzte ich und schlug die Hände vor den Mund. Da lagen die Kondome. Ich hätte es wissen müssen. Die beiden Kondome hatten aneinander gerieben und waren gerissen. Warum hatte ich nur diese bescheuerte Idee gehabt? Und keiner von uns beiden hatte es gemerkt.
13
M ama und ich hatten schon darauf gewartet, dass die Antworten der verschiedenen Colleges eintrafen, und waren daher nicht überrascht, als Tante Paula uns in ihr Büro bat. Unter einer dicken Schicht Make-up und Puder war ihr Gesicht starr und weiß. Auf dem Tisch lagen zwei dicke Umschläge von Yale. Ich hielt die Luft an. Eine Absage wäre dünner gewesen. Der erste Umschlag war weiß und voller Unterlagen, der zweite war groß und braun und trug ebenfalls Yale als Absender.
»Wie ist das möglich?«, fragte Tante Paula leise.
»Was?«, wollten Mama und ich gleichzeitig wissen.
»Dass Kimberly sich ohne mein Wissen und meine Einwilligung in Ye-lu bewirbt?« »Ye-lu« ist die kantonesische Aussprache von »Yale«.
»Deine Einwilligung?«, wiederholte ich ungläubig.
»Als ich euch in die Staaten geholt habe, musste ich ein offizielles Dokument unterschreiben und für euch beide bürgen. Ich bin für euch verantwortlich. Ihr wohnt in einer meiner Wohnungen und arbeitet in meiner Fabrik, also dürft ihr keinen einzigen Schritt machen, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen.«
Obwohl ich mir vorgenommen hatte, ruhig zu bleiben, bebte meine Stimme vor Zorn: »Willst du damit sagen, dass du mir geholfen hättest, wenn du davon gewusst hättest? So wie du mir damals mit der Harrison geholfen hättest?«
»Natürlich! Alles, was ich tue, dient einzig deinem Besten.«
Mama versuchte, uns zu beruhigen. »Ältere Schwester, wir wissen doch noch gar nicht, ob Kimberly überhaupt angenommen wurde. Vielleicht ist die ganze Aufregung umsonst.«
»Öffne den Brief!«, befahl Tante Paula.
Ich hätte ihr gerne die Stirn geboten, aber der Inhalt interessierte mich genauso brennend. Also schlitzte ich den weißen Umschlag auf. Er enthielt einige Formulare und ein Anschreiben. Ich las den Brief laut vor und übersetzte ihn für Mama simultan ins Chinesische. Meine Stimme zitterte. »Herzlichen Glückwunsch, Sie wurden angenommen …«
Mama ließ sich abrupt auf dem Stuhl nieder, der vor Tante Paulas Schreibtisch stand.
»Du kannst nicht nach Ye-lu gehen!«, platzte Tante Paula
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