Google-Mitarbeiter Nr. 59
technische Leiter, der die Rekrutierung überwachte, störte das nicht. Er wollte eine abgewandelte Kampagne im nächsten Jahr wiederholen. Auch Urs gefiel die Idee. Die neue Leiterin Business Operations sah es jedoch anders. Das Budget war aus ihrer Abteilung gekommen und sie hatte als Gegenwert nichts Konkretes vorzuweisen. Ich konnte nachvollziehen, dass sie es als reine Geldverschwendung abtat, wenn ich auch anderer Meinung war.
Für den Rest des Jahres versuchte ich, einen Weg zu finden, Crispin wieder an die Arbeit zu setzen, um unser Brand zu promoten, aber die Google-Welt hatte sich wieder verändert. HR hatte jetzt Recruiting-Spezialisten und Jonathans Produktmarketingmanagern unterlag das Promoten einzelner Produkte. Ich konnte hinsichtlich Branding beraten, aber die Verantwortung für die Bottom-Line-Leistung lag bei ihnen. Die PMMs beauftragten Anzeigenagenturen vor allem zur Unterstützung der internationalen Werbung, was bei Crispin eine Schwachstelle war. Und die Manager in Jonathans Bereich – die über den Tellerrand hinausdachten – schlugen vor, wir sollten Userdaten im Gegenzug für Agenturdienste anbieten. Die Agenturen würden Insiderinformationen über den boomenden Suchanzeigen-Markt bekommen und wir im Gegenzug preiswerte Anzeigen. Eine Win-win-Situation
Mir missfiel die Idee. Userdaten herauszugeben, um Kosten zu sparen, schien mir ein fauler Handel zu sein. Die lauteste Stimme dagegen kam jedoch von Marissa. Zum ersten Mal standen wir auf derselben Seite des Gartenzauns. In der Vergangenheit hatten wir uns über Stilfragen gezankt, aber wir waren nie uneins darüber, dass die Beziehung zu unseren Usern heilig war. Nichts sollte deren Vertrauen in uns gefährden. Googles Wachstum hatte eine ganze Welle neuer Manager hereingebracht. Es waren nicht die »Bozos«, wie Eric Smith befürchtet hatte, aber sie waren auch nicht in unseren Grundwerten verwurzelt. Die PMs waren beeindruckt von den großen internationalen Agenturen, die in schicken Anzügen und mit hochtrabenden Titeln daherkamen. Ich war es nicht. Crispin führte für uns ein paar Testkampagnen durch, aber ihr Mangel an globalen Fähigkeiten warf sie aus dem Rennen. Sie gingen weiter. 113 Und das tat ich auch.
24 Fehler passieren nun mal
»Wir befinden uns heute an der Spitze enormer Möglichkeiten und weltweiter Aufmerksamkeit«, verkündete Sergey im Oktober 2003. »Das ist natürlich eine beneidenswerte Position, die jedoch auch substanzielle Kosten und Risiken birgt.«
Sergey wollte uns wissen lassen, dass er verstand, wie überwältigt wir uns von den Forderungen und Problemen fühlen müssten, die aus allen Ecken auf uns einströmten. Er wollte nicht, dass wir reaktiv wurden und unsere Fähigkeit einbüßten, Wettbewerbsvorteile aufrechtzuerhalten, die uns so weit gebracht hatten. Setzt Prioritäten, wies er uns an. Verzögert keine Projekte. Sagt deutlich Nein, wenn die Antwort Nein lautet. Schafft für andere keine überflüssige Arbeit und verschickt keine unnötigen E-Mails. Und er drängte uns, an unsere Gesundheit und unsere Familien zu denken. Google, so versicherte er, wolle, dass wir produktiv und glücklich seien.
Als Ende November das Bezugsrecht meiner neu gestückelten Aktien wirksam wurde, war ich sehr glücklich. Sie gehörten mir, wenn ich auch nichts anderes mit ihnen anfangen konnte, als ihre Anzahl in unserem Online-Accounting-System zu bewundern. Oh Mann. Wie unglaublich befreiend. Ich hatte nicht die Absicht, Google zu verlassen, aber zu wissen, dass ich auch dann von einem Börsengang profitieren würde, nahm einigen Druck von mir. Es beflügelte meine Schritte beim täglichen Gang durch den Park.
»Wenn die Aktien auf 30 Dollar steigen«, grübelte ich, »bin ich X wert. Wenn sie auf 50 steigen, bin ich Y wert. Können sie wirklich auf 50 steigen? Wo steht Yahoo? Oh mein Gott. Und wenn es nun bis 100 Dollar geht? Nein. Dazu wird es nie kommen.«
Dieses Spiel machte Spaß. Ich versuchte, das dümmliche Lächeln aus meinem Gesicht zu vertreiben, bevor ich ins Büro zurückkehrte. Aber manchmal meldete es sich von allein wieder zurück.
Auch das Büro änderte sich. Im Juli 2003 hatten wir den Kauf der Firmenzentrale von SGI abgeschlossen. Im Januar 2004 war das Unternehmensmarketing an der Reihe, in unser neues Zuhause umzuziehen. Freitags packte ich meine Kisten und am Montag ging ich in Gebäude 41 zur Arbeit. Nicht 41, dort lebte die Technik, aber nur eine Tür weiter und zugänglich durch eine
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