Google-Mitarbeiter Nr. 59
dekorierten Raum quetschten. Weil es Probleme in der Küche gab, kam das Essen mit Verspätung und war lauwarm. Sergey versuchte, eine Rede zu halten, während er auf einem roten Gummiball von anderthalb Meter Durchmesser balancierte. Aber obwohl er im örtlichen Zirkus Trapezkurse besuchte, konnte er das Gleichgewicht nicht halten. Er improvisierte eine paar Witze und machte allgemeine Bemerkungen darüber, dass alles gut lief, bot jedoch keine glühende Vision der Zukunft, die uns alle beruhigt hätte, dass das Unternehmen auch noch seine nächste Weihnachtsfeier erleben würde.
Kristen war nach der Feier überzeugter denn je, dass ich unsere Sicherheit gegen eine Eintagsfliege eingetauscht hatte, die kurz vor dem Ableben stand. Die Heimfahrt war sehr still, während die Kinder auf dem Rücksitz des Taurus schliefen.
»Sie scheinen … nett zu sein«, sagte Kristen. »Aber wissen sie auch, was sie tun? Es wirkt ein bisschen unorganisiert.«
»Mit der Zeit wird sich alles regeln«, murmelte ich über das Schnarchen der Kinder hinweg. »Sie sind nach wie vor dabei, die Firma aufzubauen, und der letzte Schliff fehlt noch. Es ist wirklich nicht so schlimm, wie es vielleicht aussieht.«
Für mich hatte dieses Chaos bereits angefangen, sich normal anzufühlen: das Durcheinander der Spielzeuge, Tools und Technologien, die durch die Flure schlendernden Hunde, die den schwirrenden Elektrorollern auswichen, die Miniküche, die überquoll mit kostenlosen Nahrungsmitten. Ich begann zu erkennen, dass jeder Winkel von Googles Büroraum seinen Zweck erfüllte.
George Salah verließ 1999 Oracle, um Googles Facility Manager zu werden, nachdem er während eines Hockeyspiels Kontakte mit Larry und Sergey geknüpft hatte. (»Sie waren um einiges besser, als ich es von einem Trupp Technikern erwartet hätte«, gestand er.) Oracle war ein sehr erfolgreiches internationales Unternehmen. Deshalb machte es für eine Start-up-Firma Sinn, deren Erfolgsmethoden anzuwenden. »Bei Oracle«, hob George hervor, »gab es Richtlinien, auf deren Grundlage ich sagen konnte: ›Das ist es, was wir in Portland tun müssen.‹ Ich sagte zu Larry und Sergey: ›Ich möchte nicht jedes Mal das Rad neu erfinden. Seid ihr einverstanden, wenn ich ein paar Richtlinien zusammenstelle?‹ Die beiden sahen mich an, als wäre ich nicht bei Verstand.«
» Auf keinen Fall! «, stellten die beiden Gründer klar. »Mit Richtlinien wollen wir absolut nichts zu tun haben. Wir wollen keine ›Standardlösungen‹.«
»Ich glaube, das war der Moment, in dem ich anfing, Haare zu verlieren«, erzählte mir George und strich über seine Glatze. »Sie wollten anders sein als alle Unternehmen, die es vor ihnen gegeben hatte. In jeder Hinsicht besser. Ich musste alles über Bord werfen, was ich auf meinem bisherigen Berufsweg gelernt hatte, und mich auf die Suche nach Zulieferern, Anbietern und Architekten begeben, die in der Lage waren, zu begreifen, was die Gründer wollten – die bestmögliche Arbeitsumgebung. Nicht um der Ästhetik willen. Funktion ging stets über Form.«
Meinen Kollegen und mir war es ebenfalls untersagt, »Dinge auf die übliche und allgemein anerkannte Art und Weise zu tun«, wie Cindy es ausdrückte. »Larry und Sergey lehnten schablonenhafte Herangehensweisen, um Google zu vermarkten, rundheraus ab. Bei allen anderen Unternehmen, bei denen ich gearbeitet hatte, konnte ich bei Treffen mit den Medien eine Reihe Informationen präsentieren, gestützt durch eine PowerPoint-Präsentation und einen Ausdruck, den man den Leuten in die Hand drückte. Du hattest ein Medientraining absolviert und treffende Antworten auf alle möglichen Fragen parat. Larry und Sergey hassten diese Vorstellung. Sie weigerten sich, an vorgefertigten Botschaften festzuhalten, führten keine Präsentationen durch und redeten über das, worüber sie reden wollten. Die Medien liebten sie dafür.«
Meine Offline-Marketingkollegin Shari war weniger entzückt von der eigenwilligen Vorgehensweise unserer Gründer. Sie bearbeitete Sergey, er müsse Geld für Marktforschung ausgeben, und beschwor ihn, eine externe Agentur zu beauftragen, um eine Werbekampagne zu entwickeln. »Die beiden verstehen einfach nicht, wie wichtig Massenmarketing ist, um einen Markennamen aufzubauen«, beklagte sie sich. »Sie müssen uns vertrauen, uns Marketingentscheidungen treffen und uns unsere Arbeit machen lassen.«
Wir rangen alle mit Googles unklarer Struktur. Wer waren die Stakeholder? Wer
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