Google-Mitarbeiter Nr. 59
angefangen vom T-Shirt-Design bis zu der Frage, welche Produktkategorien wir bedienen sollten. Glücklicherweise war ich durchtränkt von Prozessimplementierung. Schließlich kam ich von einem Unternehmen mit sieben Gewerkschaften, Dutzenden von Redakteuren und einem unstillbaren Hunger nach Grübelei und Überprüfung. Ich weiß, wie erfolgreiche Unternehmen ihre Ziele setzen, und ich würde die Weisheit der Welt da draußen zu Google bringen.
»Du hast ein Problem gefunden«, sagte ich mir. »Nun löse es.«
Ich setzte ein abteilungsübergreifendes Meeting an, um die Notwendigkeit von Projektpriorisierung und Ressourcenverteilung anzusprechen. Marketing und Geschäftsentwicklung, die beiden Säulen, auf denen die Zukunft des Unternehmens ruhte, würden zusammen eine stabile Wachstumsplattform entwerfen. Mein Bürokollege Aydin wollte dabei sein, ebenso Shari und Susan und ein paar andere aus dem kaufmännischen Bereich.
Bei unserem Meeting machten wir Brainstorming zu Prozessstrukturen. Wir analysierten die Konkurrenz, unsere allgemeine Marktsituation und wohin die Branche als solche steuerte. Es war ein gutes, produktives Meeting, an dessen Ende wir in der Lage waren, die strategische Führung zu bieten, an der es Google mangelte. Welchen Marktanteil hätte unser prozessgesteuertes Google gewinnen können? Das wird die Welt nie erfahren.
Als Larry und Sergey erfuhren, dass wir die Technik mit Produktionsplänen geißeln wollten, streuten sie uns Sand ins Getriebe. Dieser Sand hieß Salar. Er brachte unsere Arbeitsgemeinschaft zwar nicht um, aber sie verstarb nichtsdestotrotz. Salar sagte, dass Larry kein Problem damit habe, uns eine Liste von Fragen zu beantworten, um die Unternehmensstrategie zu klären, aber die Produktentwicklung würde bis auf Weiteres »fallweise« ablaufen.
Irgendetwas musste aber doch durchgedrungen sein, denn am nächsten Tag gab Sergey für das ganze Unternehmen eine Art Manifest heraus, in dem er unsere drei obersten Prioritäten aufführte: »Höchste Produktqualität, User-Akquisition und Umsatz.« Das war nicht gerade ein Vorgehensplan. Es beantwortete auch keine weitreichenderen Fragen wie: »Wie können wir User-Loyalität sicherstellen?« und »Wie sieht unsere Markterweiterungsstrategie aus?«
Irgendwann hörte ich auf, diese Fragen zu stellen. Unsere Gründer wollten offenbar lieber einen Weg in die Zukunft einschlagen, der auf dem Bauchgefühl basierte, statt die Hufe zu schwingen und mit dem ganzen Unternehmen auf ihrem Rücken durch einen feurigen Wettbewerbssumpf zu galoppieren. Eine solche Strategie war nur mit einem gewissen Maß an Überzeugung hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten möglich.
»Die beiden hatten so viel Selbstvertrauen, dass Sergey überzeugt war, er könne allein ein Heilmittel für AIDS finden«, wunderte sich der Techniker Chad Lester. Warum auch nicht? Mit 25 Millionen Dollar auf der Bank war die Hybris der Gründer in der Lage, frei durch die Prärie zu streunen. Das Leben gibt dir nur wenige Chancen, Entscheidungen so zu fällen, als würde die Meinung der anderen nicht zählen. Google bot eine solche Gelegenheit. Die Risikokapitalanleger John Doerr von Kleiner Perkins und Mike Moritz von Sequoia Capital saßen im Aufsichtsrat 22 von Google – aber der Aufsichtsrat hatte keine Kontrolle – die gehörte allein Sergey und Larry. Alles, was der Aufsichtsrat tun konnte, war, zu versuchen, die beiden anzuleiten.
Larry und Sergey hatten Cindy zwar zur Leiterin des Unternehmensmarketings gekrönt und vertrauten ihr die Verantwortung für Public Relations und Werbung an, nicht aber die Produktentwicklung. Der Aufsichtsrat wollte eine andere Führungskraft, um diese Organisation aufzubauen – jemanden mit technischem Know-how, aber keinen Techniker. Wenn Techniker die Karawane anführen, dann konzentrieren sie sich manchmal mehr darauf, wie schnell sie werden können, statt darauf, in welche Richtung sie reiten.
Zögernd stimmten Larry und Sergey zu, sich umzuschauen, allerdings würde sie kein traditioneller Fachmann für Verbrauchermarketing überzeugen.
Der richtige Kandidat würde in der Lage sein müssen, mit Programmierern zu kommunizieren, schnell zu handeln, und sehr, sehr clever sein. Und gut riechen. Sergey hat einmal einen Bewerber zum Teil deshalb abgelehnt, weil er »komisch roch.«
Jonathan Rosenberg, eine Führungskraft bei Excite@Home, war sehr, sehr clever und der Aufsichtsrat wies deutlich darauf hin, dass er dem entspreche, was
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