Google-Mitarbeiter Nr. 59
drängte sie zu einem früheren Einführungstermin. »Jagt so viel wie möglich zum Teufel.« Diese Haltung einzunehmen hätte meinen Verbrauch an Antazidum reduziert.
Ich kam zu dem Schluss, dass Larry und Sergey Urs deshalb vertrauten, weil er ihre Bevorzugung schneller Flickwerke gegenüber langfristigen Lösungen teilte. Auch die beiden opferten Perfektion gern auf dem Altar der Zweckmäßigkeit.
»Larry und ich waren unterschiedlicher Meinung, wie wichtig es war, Probleme so zu beheben, dass sie nie wieder auftraten«, erinnert sich Craig Silverstein. »Larry bevorzugt es in der Regel, etwas provisorisch zu flicken und sich dann später darum zu kümmern. Ich war immer dafür, das Problem auf der Stelle zu beheben. Seine Einstellung war, das Feuer schnell zu löschen und seine Zeit dann anderen Dingen zu widmen.«
Als zum Beispiel bei den Suchen doppelte Ergebnisse auftauchten, wollte Craig die Software komplett umstrukturieren, um das Problem auszumerzen. »Nein«, lehnte Larry ab. »Wir können einfach dafür sorgen, dass es besser arbeitet.«
»Dann wird es anfällig und ich garantiere dir, dass der Moment kommt, in dem es zusammenbricht. Das Problem wird dann schwerer zu beheben sein«, warnte Craig ihn. Aber natürlich hat Larry gewonnen und Craig flickte das System nur, statt es auszutauschen. »Ich habe mich geirrt«, sagte Craig später. »Das Problem tauchte nie wieder auf und soweit ich weiß, benutzen wir immer noch dieselbe Technik, um damit umzugehen.«
Urs gab sein Bestes, um seine Priorisierungsstrategie bei den Google-Technikern zu etablieren. Alle paar Wochen führte er einen formellen Project Review durch, um die Leute dazu zu zwingen, ihr Augenmerk auf die dringendsten Themen zu richten und Hindernisse zu identifizieren, die den Fortschritt möglicherweise aufhielten. »Manchmal versuchen die Leute, das Problem zu lösen«, erklärte er, »statt es sofort zuzuspitzen und zu sagen: ›Bitte hilf mir, dieses Problem loszuwerden.‹«
»Es lag auf der Hand, was zu tun war«, erzählte mir Sanjay Ghemawat über seine ersten Monate im Job. »Ich konnte die Probleme in der Infrastruktur um mich herum sehen. Die Hauptarbeit bestand darin, den größten Schmerzpunkt zu finden und daran zu arbeiten. Sobald die Qual auf ein leises Pochen reduziert war, ging man weiter zur nächsten Quelle der Irritation.«
Ein potenzieller Nachteil von Urs’ Vorstellung der »selbst korrigierenden« Techniker lag in der Gefahr, dass zu viele Leute unbemerkt voneinander an demselben Problem arbeiten konnten. Anfangs kam das nicht vor.
»Es gab vielleicht zwei oder drei Leute pro Projekt«, erinnert sich Jeff Dean. »Es gab vielleicht 20 Projektgruppen und man konnte sagen: ›Ich weiß, woran diese zwanzig arbeiten.‹«
Als Google wuchs, führte die Firma ein wöchentliches Update-System ein. Die Techniker nutzten es, um online einen Kurzbericht über ihre derzeitige Tätigkeit kundzutun. Das System stellte sämtliche Kurzberichte in einer Liste zusammen, die an jeden gemailt wurde, den sie betraf. Obwohl viele Techniker die Abgabe-Deadline nicht jede Woche schafften oder das Verfahren einfach ignorierten, führten Larry und Sergey es auch für andere Abteilungen ein, einschließlich Marketing. Das war echt typisch. Die Technik schuf eine neue Technologie, probierte sie aus und teilte sie dann mit allen anderen, um die ganze Firma um dasselbe Set von Produktivitätstools herum zu justieren.
Dass wir dieselben Systeme nutzten wie die Techniker, bedeutete jedoch nicht, dass wir im Produktentwicklungsprozess gleichwertige Partner waren. »Verschiebe niemals, niemals nur aus Marketinggründen die Einführung eines Produktes«, warnte Cindy uns. Das war die dritte Schiene der Firmenpolitik. Wir durften auf keinen Fall zu spät oder gar nicht liefern. Wenn mein Teil des Projekts meinen Standards noch nicht gerecht wurde, der Einführungstermin jedoch vor der Tür stand, musste ich alle losen Schrauben in die Kiste werfen, sie zuschweißen und den Technikern überreichen, die bereits ungeduldig darauf warteten. Und dann weitergehen zum nächsten Projekt.
Ein Tag würde kommen – oder zumindest ein Moment –, wenn es angemessen war, anzuhalten, den koffeinfreien Kaffee zu trinken und darüber nachzudenken, was wir erreicht hatten, und darüber nachzusinnen, was vor uns lag. Jetzt war nicht dieser Moment. »Es gibt jede Menge Zeit«, erinnerte uns Cindy bei vielen Gelegenheiten, »uns auszuruhen, wenn wir tot
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