Google-Mitarbeiter Nr. 59
zusammen: »Es funktioniert ziemlich gut, wenn du richtig clevere Leute einstellst, die flexibel sind und Dinge getan bekommen. Schubse sie dann einfach am tiefen Ende in den Pool.
Was du an der Uni gelernt hast, spielte keine Rolle. Was du in deinem vorherigen Job getan hast, spielte keine Rolle. Sobald du erst durch den Google-See watest, wirft dir jemand ein Projekt zu und man erwartet von dir, dass du es fängst. Entweder du lernst, wie du damit schwimmen kannst, oder du gehst unter.«
Es versteht sich von selbst
Obwohl Urs eine ungesunde Fixierung auf das Einstellen neuer Leute hatte, schien er ein aufrechter Kerl zu sein, der über das Schwarz oder Weiß von »Können wir das tun?« hinausblickte zu der dunkleren Frage »Sollen wir es tun, nur weil wir es können?« Ich war beeindruckt über den Standpunkt, den er bezüglich RealNames einnahm, ich erkannte jedoch nicht, dass seine fundamentalistischen Ansichten über absolute Ehrlichkeit eine dunkle Seite hatten, eine, die in die Unternehmenskultur sickerte und einen Schatten auf die Zusammenarbeit warf.
»Urs war ziemlich knauserig mit Lob«, wie es der Systemtechniker Ben Smith diplomatisch ausdrückte. Smith 47 redete selbst nicht gerade viel. Er war nicht aggressiv zugeknöpft, sondern einfach nur gelassen lakonisch. Als Weltklasse Ultimate Frisbee-Spieler verfügte Smith über die Intensität sportlichen Selbstvertrauens, gewickelt um einen Intellekt, der fähig war, Googles hartnäckigste »Sand im Getriebe«-Software-Probleme zu lösen. Sozusagen ein Steve McQueen mit Doktortitel.
»Ich habe die Anweisungen haarklein aufgeschrieben«, erzählte mir Smith über ein Stück berüchtigt unzuverlässiger Software, wegen der er die ganze Nacht aufgeblieben war, um sie zu reparieren. »Ich habe es Urs erklärt, bevor ich gegangen bin. ›Das hier haben wir gemacht. So läuft es. Das sind die Dinge, auf die wir achten müssen. Das hier sind die Dinge, wo es Probleme geben könnte, und das hier sind zehn Schritte, um die Probleme zu beheben.‹ Ich war unterwegs nach Hause und hörte mir Morning Edition an, als ich einen Anruf von Urs bekam. ›Es ist genau an der Stelle hängen geblieben, die du vorhergesagt hast‹, sagte er. ›Ich habe das Problem behoben. Gute Arbeit.‹ Es war so wie: ›Deine Anweisungen waren richtig. Danke, dass du uns nicht beschissen hast.‹«
»Urs forderte die Leute auf die lustigste Weise heraus«, bestätigte der Techniker Ron Dolin. »Er verteilte keine Komplimente. Wenn du gute Arbeit geleistet hast, war damit genug gesagt. Aber einige von uns – vor allem jene, die nicht zu den Supermännern der Firma zählten – hätten hier und da ein bisschen Aufmunterung gut gebrauchen können.«
Warum also war Urs so geizig mit seinem Lob? Sind Techniker nun mal schweigsam? »Ich glaube nicht, dass es eine Technikaversion gegenüber Lob gibt«, antwortete Urs, als ich ihn nach unserer Lob-freien Kultur fragte. »Es ist eines meiner größten Managementprobleme. Ich selbst brauche keine überschwänglichen Worte. So bin ich nicht aufgewachsen und es liegt mir nicht.«
Die Sprachbarriere trug zu Urs’ Zurückhaltung beim Loben seines Teams bei. »Im Deutschen bedeutet ›gut‹ auch ›gut‹«, erklärte er. »Hier bedeutet es, ›nicht wirklich so gut, aber auch nicht schlecht‹, denn die beste Note in der Schule war ›sehr gut‹. Das ist das Beste. Ausgezeichnet bedeutet in etwa olympisches Kaliber. Nichts, was Normalsterbliche erreichen. Das war für mich immer eine Herausforderung.«
Urs hatte nicht nur Schwierigkeiten damit, Komplimente zu machen, es fiel ihm genauso schwer, welche anzunehmen. »Mein Doktorvater an der Uni sagte mir immer, dass meine Sachen ›großartig‹ seien«, gestand er mir und verzog das Gesicht. »Dabei wusste ich genau, dass nicht alles großartig war, und hatte Schwierigkeiten, es zu verstehen. In der Schweiz würdest du sagen: ›Das ist schlecht und das ist schlecht und das ist schlecht. Und warum hast du das gemacht? Das wird nicht funktionieren.‹ Aber hier sagt man ›Glaubst du, dass … könntest du vielleicht …?‹«
Urs gestand mir gegenüber ein, dass sein Verhalten Probleme schuf. »Ich bin nicht wirklich stolz darauf«, sagte er, »weil wir richtig gute Leute hatten. Das vergisst man leicht, weil es überall Probleme gibt. Und natürlich konzentrierst du dich auf die Probleme, denn die müssen gelöst werden, oder nicht? Aber das kann rüberkommen wie ›Alles ist schlecht‹,
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