GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
Widerschein eines aufzuckenden Blitzes den Sleen erblickte, diesmal ein voll ausgewachsenes Exemplar, zwischen fünf und sechs Meter lang. Das Ungeheuer r a ste auf mich zu, blitzschnell, lautlos, die Ohren flach a n gelegt, der Pelz regendurchtränkt, die weit aufgerissenen Nachtaugen vor Mordlust schimmernd.
Ein seltsamer Laut entfuhr meinen Lippen, ein u n glaubliches Lachen. Endlich etwas, das ich sehen, sp ü ren, bekämpfen konnte!
Mit einem Eifer, der der Kampfeslust des Ungeheuers nicht nachstand, rannte ich in die Dunkelheit, und als ich seinen Sprung erahnte, warf ich mich mit dem spitzen goreanischen Speer nach vorn. Mein Arm bekam zwei spitze Zahnreihen zu spüren, und ich wurde herumgeri s sen, als das Tier vor Wut und Schmerz aufbrüllte und sich auf der Straße wand. Ich zog meinen Arm zurück, brachte ihn vor den schwachen, sinnlos zuschnappenden Fängen in Sicherheit.
Beim nächsten Blitz sah ich den Sleen auf dem Bauche hocken; verzweifelt biß er in den Schaft des Speers, seine großen Nachtaugen waren ohne Glanz. Mein Arm war blutüberströmt – doch das Blut stammte hauptsächlich von dem Raubtier. Meine Hand war fast bis in den Schlund des Tieres vorgedrungen, im Schwunge der B e wegung, die den Speer tief in den Rachen des Ungehe u ers gerammt hatte. Ich bewegte Arm und Finger. Ich war unverletzt.
Der nächste Blitz enthüllte mir, daß der Sleen nicht mehr lebte.
Unwillkürlich überlief mich ein Schauder, obwohl ich nicht wußte, ob diese Reaktion auf die Kälte und den R e gen oder den Anblick des langen, pelzigen, echsenartigen Körpers zurückzuführen war, der da vor mir lag. Ich ve r suchte den Speer herauszuziehen, doch er steckte zw i schen den Rippen des Tieres.
Kalten Blutes zog ich mein Schwert, schnitt den Kopf des Tieres ab und zerrte die Waffe frei. Nach Sitte der Sleenjäger – und auch weil ich hungrig war – nahm ich meine Schwertklinge, durchschnitt das Fell des Tieres und verzehrte sein Herz.
Es heißt, daß nur das Herz des Berglarl mehr Glück bringt, als das des bösartigen, schlauen Sleen. Das rohe Fleisch, noch heiß vom Blute des Tieres, sättigte mich, und ich hockte neben meiner Beute auf der Straße nach Ko-ro-ba, ein Raubtier unter Raubtieren.
Ich lachte. »Wolltest du mich von Ko-ro-ba fernhalten, Schwarzer Bruder der Nacht?« fragte ich ins Leere.
Wie absurd es mir vorkam, daß sich ein schwacher Sleen zwischen mich und meine Stadt stellen wollte! Ich lachte unwillkürlich auf, als ich daran dachte, wie unsi n nig sich das Tier verhalten hatte. Aber wie hätte es B e scheid wissen können? Wie hätte es wissen können, daß ich Tarl aus Ko-ro-ba war und daß ich in meine Stadt z u rückkehrte. Es gibt ein goreanisches Sprichwort, wonach ein Mann, der zu seiner Stadt zurückkehrt, nicht au f gehalten werden darf. War dem Sleen dieser Ausspruch nicht bekannt?
Ich schüttelte den Kopf, um den unvernünftigen G e danken loszuwerden. Ich wußte, daß das alles keinen Sinn ergab, daß ich nach dem kurzen Kampf und nach der ersten schnellen Mahlzeit jetzt etwas trunken war – immerhin hatte ich viele Stunden lang gehungert.
Wenngleich ich es als Aberglauben abtat, widmete ich mich nun dem goreanischen Ritual des Blutlesens. Ich legte meine Hände zusammen und schöpfte damit etwas Blut, trank einen Mund voll, hielt den Rest vor mich hin und wartete auf den nächsten Blitz.
Man schaut in das Blut in den Händen. Es heißt, wenn man das eigene Gesicht schwarz und ausgezehrt sieht, wird man an einer Krankheit sterben, sieht man sich ze r rissen und blutigrot, wird man im Kampfe untergehen, erscheint das eigene Gesicht aber alt und weißhaarig, soll man in Frieden sterben und viele Nachkommen hinterla s sen.
Wieder blitzte es auf, und ich starrte in das Blut.
In diesem kurzen Augenblick sah ich in der winzigen Blutmenge, die ich in den Händen hielt, nicht mein eig e nes Gesicht, sondern ein fremdes Antlitz – einen Kopf wie eine Goldkugel mit scheibengleichen Augen, ein G e sicht von einer unvorstellbaren Fremdheit, ein Gesicht, das mir sofort einen unheimlichen Schrecken einhauchte.
Die Dunkelheit kehrte zurück, und beim nächsten Blitz schaute ich noch einmal in das Blut, doch jetzt war es nur Blut, das Blut eines Sleen, den ich auf der Straße nach Ko-ro-ba getötet hatte. Ich sah nicht einmal mein eigenes Spiegelbild in der Flüssigkeit. Ich trank das Blut und b e endete damit das Ritual.
Dann stand ich auf und wischte am Pelz des Sleen me i nen
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