GOR-Zyklus 02 - Der Geächtete von Gor
wurde.
Der breite Holzträger grinste von einem Ohr zum and e ren. Heute abend hatte er einen Gast. Er selbst würde nur wenig sagen, denn er war ungeübt im Sprechen, und er war zu stolz, Sätze zu bilden, die wahrscheinlich nur stockend und grammatisch falsch herauskamen, aber er würde bis zum Morgengrauen an seinem Feuer sitzen und mich nicht schlafen lassen, würde Geschichten von mir hören wollen, Berichte über meine Abenteuer, Schi l derungen weit entfernter Orte. Was ich sagte, war dabei weniger wichtig als die Tatsache, daß überhaupt etwas gesagt wurde, daß er wieder einmal einen Abend nicht a l lein gewesen war.
»Ich heiße Zosk«, sagte er.
Ich fragte mich, ob dies sein gebräuchlicher Name sei, oder sein wirklicher Name. Die Mitglieder niederer K a sten nennen sich oft bei einem Gebrauchsnamen und h e ben sich den wirklichen Namen für Familienmitglieder und gute Freunde auf, um ihn gegen den Einfluß von Zauberern und anderen bösen Mächten zu schützen. I r gendwie hatte ich das Gefühl, daß Zosk sein wirklicher Name war.
»Zosk aus welcher Stadt?« fragte ich.
Die gedrungene, breite Gestalt schien zu erstarren. Die Muskeln seiner Beine strafften sich, wölbten sich au s wärts. Die Bande, die sekundenlang zwischen uns b e standen hatten, schienen urplötzlich durchtrennt, von e i nem kalten Windhauch verweht.
»Zosk …«, sagte er.
»Aus welcher Stadt?« fragte ich.
»Aus keiner Stadt«, erwiderte er.
»Gewiß bist du doch aus Ko-ro-ba.«
Der entstellte Riese wich wie von einem Peitsche n schlag getroffen zurück und begann zu zittern. Ich spürte, daß dieser einfache, unverdorbene Mensch plötzlich Angst hatte. Ich hatte das Gefühl, daß er sich mutig mit seiner Axt gegen einen Larl gestellt hätte, ohne einen Gedanken an die Gefahr zu verschwenden, doch hier ha t te er Angst. Die breiten Fäuste, die die Seile des Hol z bündels hielten, verkrampften sich und wurden weiß; die Holzstäbe knirschten aneinander.
»Ich bin Tarl Cabot«, sagte ich, »Tarl aus Ko-ro-ba.«
Zosk stieß einen unverständlichen Schrei aus und b e gann rückwärts zu stolpern. Seine Hände fummelten an den Seilen herum, und das große Holzbündel verlor se i nen Zusammenhalt und polterte mit lautem Getöse auf das Steinpflaster der Straße. Der Mann wandte sich zur Flucht, doch er rutschte auf einem der Äste aus und stürzte. Er fiel fast in die Axt, die mitten auf der Straße lag. Impulsiv griff er danach, wie nach einer rettenden Holzplanke in tödlichem Wasserstrudel.
Die Axt schien ihn zur Besinnung zu bringen, und er hockte auf der Straße, im Halbdämmer, wenige Fuß von mir entfernt, wie ein Gorilla mit einer breiten Axt; er a t mete tief ein, saugte die Luft in seine Lungen und ve r suchte seine Angst zu meistern.
Seine Augen musterten mich durch das grauweiße, ve r filzte Haar. Ich begriff seine Furcht nicht, doch es freute mich, daß er sie überwand, denn die Angst ist der g e meinsame Feind aller Lebewesen, und seinen Sieg hielt ich irgendwie auch für den meinen. Ich erinnerte mich an einen Zwischenfall in den Bergen von New Hampshire, wo ich mich einmal schamlos meiner Angst hingegeben hatte und davongestürmt war – ein Sklave des Allz u menschlichen.
Zosk richtete sich auf, soweit das sein verkrümmtes Rückgrat erlaubte.
Seine Angst war verflogen.
Er sprach langsam. Es bereitete ihm Schwierigkeiten, doch er hatte sich wieder in der Gewalt.
»Sag, daß du nicht Tarl aus Ko-ro-ba bist«, verlangte er.
»Aber ich bin es«, erwiderte ich.
»Ich erbitte deinen Gefallen«, sagte Zosk, in dessen Stimme nun ein seltsames Gefühl schwang. »Sag mir, daß du nicht Tarl aus Ko-ro-ba bist.«
»Ich bin Tarl aus Ko-ro-ba«, wiederholte ich en t schlossen.
Zosk hob seine Axt.
Sie wirkte winzig in seiner massigen Hand. Ich spürte, daß er damit einen Baum auf einen Schlag fällen konnte. Schritt um Schritt kam er näher, die Axt mit beiden Hä n den über die Schulter gehoben.
Endlich blieb er vor mir stehen. Ich glaubte Tränen in seinen Augen wahrzunehmen. Doch ich machte keine Anstalten, mich zu verteidigen. Irgendwie wußte ich, daß Zosk nicht zuschlagen würde. Er kämpfte mit sich, sein einfaches Gesicht war qualvoll verzerrt, in seinen Augen stand die Unentschlossenheit.
»Mögen die Priesterkönige mir vergeben!« schrie er.
Er warf die Axt zu Boden, die klirrend über die Pflaster der Straße schlitterte. Zosk sank in die Knie und setzte sich mit gekreuzten Beinen. Sein
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