GOR-Zyklus 17 - Die Wilden von Gor
Kaiila ist dies die Bezeichnung für Händler oder Kaufmann.
Der Mann verzichtete darauf, seine Lanze in Angriffsstellung zu bringen; er hielt sie lediglich fest unter dem rechten Arm verankert.
»Nicht bewegen!« sagte Grunt.
Der Bursche trieb seine Kaiila an und begann langsam um uns herumzureiten.
»Steht gerade!« mahnte Grunt die Mädchen, die ihre Lasten abgesetzt hatten. »Schaut ihn nicht an!«
Grunt handelte sicher weise, die Mädchen nicht in die Augen des Flieher-Kriegers schauen zu lassen. Ein solcher Blickkontakt kann wie ein elektrischer Schlag sein, von großer, nicht zu ermessender Bedeutung. Wer konnte voraussagen, was der Mann und ein Mädchen in den Augen des anderen ausmachten?
Langsam ritt der Kaiilakrieger an der Reihe der Mädchen entlang. Sein Tier schnaubte, bewegte unruhig den Kopf und wieherte schrill, als der Maulzügel heftig zurückgerissen wurde.
Auf der Nase des Tiers befanden sich Coupzeichen, rote Linien, die zu den Markierungen an den Beinen des Kriegers paßten. Am linken Vorderbein zog sich eine Zickzacklinie entlang, die Blitze darstellte. Auf dem rechten Vorderbein entdeckte ich fünf umgekehrte U-Symbole. Im rechten Ohr zeichnete sich eine V-förmige Kerbe ab. An der linken Flanke schimmerte ein rot ausgemalter Kreis mit einer daraus abwärts führenden gewellten Linie. An beiden Flanken außerdem eine schwarze waagerechte Linie, darüber ein blaues Halbrund. Die Coupzeichen und die auf dem Kopf stehenden U verzeichneten Leistungen des Mannes. Die Kreise um die Augen und die Blitz-Symbole am linken Vorderbein stellten Kriegsmedizinen dar: Das Tier sollte gut sehen und etwas von der jähen, schnellen, kraftvollen Bewegung eines Blitzes entwickeln. Der Kreis mit der Wellenlinie stellte ein Wundersymbol dar, den Ort einer früheren Verletzung. Was das eingekerbte Ohr und die anderen Zeichen besagten, wußte ich nicht.
Langsam nahm der Flieher jedes unserer Mädchen in Augenschein.
»Unser Freund«, sagte Grunt zu mir, »ist ein Mitglied der Reiter des Blauen Himmels, einer Kriegergemeinschaft der Flieher.«
»Und vor solchen Burschen muß man sich in acht nehmen?« fragte ich.
»Ich nehme es an«, sagte Grunt lächelnd.
»Du leitest seine Zugehörigkeit von den Zeichen an der Flanke der Kaiila ab?«
»Ja. Insbesondere von der Linie mit dem blauen Halbkreis darüber.«
»Ich verstehe.« In den meisten Stämmen gab es mehrere Kriegergemeinschaften, die großen Einfluß hatten – allerdings auf wechselnder Basis, damit keine bestimmte Gemeinschaft innerhalb eines Stammes zu mächtig wurde. Von den Mitgliedern wurde erwartet, daß sie beim Kampf und auf der Jagd allen anderen ein gutes Beispiel gaben.
»Ich glaube nicht, daß er uns etwas antun will«, sagte Grunt. »Er scheint nur neugierig zu sein.«
Kriegergemeinschaften haben bei den Stämmen vielfältige Funktionen. Sie sind ein wesentliches Element des Stammeslebens. Im Wechsel mit anderen Gemeinschaften wahren sie die Ordnung in Lagern und auf Trecks. Sie werden auch als Wächter und Polizeimacht eingesetzt. Und es gehört zu ihren Aufgaben, die Stämme über die Bewegungen der Kailiaukherden zu informieren und Stammesjagden zu organisieren und zu beaufsichtigen. Auch in gesellschaftlicher Hinsicht sind solche Gemeinschaften nützlich. Sie stellen Institutionen dar, durch die Leistungen Anerkennung und Lohn finden, durch die Stammestraditionen aufgefrischt, bewahrt und erneuert werden. Sie heben Medizinbeutel auf, führen Zeremonien durch und lehren Geschichte. Häufig geben sie Feste und führen Tanzveranstaltungen durch. Die Rivalitäten, die zwischen ihnen herrschen, bilden ein Ventil für innerhalb des Stammes aufkommende Aggressionen, und der sich daraus ergebende Wettbewerb ermuntert zu Höchstleistungen. Innerhalb der Gemeinschaft profitieren die Angehörigen natürlich vom Geiste ihrer Allianz, von der Kameradschaft und Freundschaft unter den Männern. Natürlich hat jede Gemeinschaft ihre eigenen Medizinen und Geheimnisse.
Sorgfältig beobachtete ich den Flieher. Wie kompliziert war doch der innere Aufbau eines Stammes!
»Das Ohr der Kaiila ist eingekerbt«, sagte ich zu Grunt. »Ist das eine exzentrische Verstümmelung, oder hat es etwas zu besagen?«
»Die Kerbe zeigt an, daß die Kaiila ein kostbares Tier ist«, antwortete Grunt, »das für die Jagd und das Kämpfen trainiert wurde.«
Wohlgefällig musterte der Flieher die Mädchen und kehrte dann in seine alte Position vor uns zurück. Er war
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