GOR-Zyklus 18 - Die Blutsbrüder von Gor
protestierte sie. »Es gehört sich nicht, daß ich an einen Pfahl angebunden bin!«
»Hci hat es so entschieden«, sagte ich.
»Hci?« rief sie. »Mit welchem Recht hat er diesen Befehl gegeben?«
»Er hat dich gefangen.«
»Oh!« rief sie erschrocken.
Es gab insgesamt zwei Pfosten, die tief in einen Riß des Ratsfelsens gekeilt worden waren, dicht am Abgrund. Von den Pfählen vermochte man pasangweit über die Prärie zu schauen, die sich einige hundert Fuß tiefer erstreckte; der Blick schweifte vor allem nach Westen. Da sich die Pfosten dicht am Hang befanden, ermöglichten sie zugleich einen guten Ausblick auf den Hauptweg, der sich steil und schmal zum Gipfel emporwand.
Bloketu, ebenfalls nackt, stand bereits gefesselt am zweiten Pfahl.
Die Mädchen hatten nicht nur das gesamte Panorama vor sich, sondern konnten auch von unten vom Weg gut gesehen werden.
»Welchem Umstand verdanken wir dieses außerordentliche Privileg?« fragte Iwoso leichthin. »Dies ist doch mal etwas anderes als die abgestandene Luft in unserem Gefängniszelt.«
»Heute«, sagte ich, »soll über euch geurteilt werden.«
Bloketu wand sich wimmernd in den Fesseln, und auch Iwoso war unbehaglich zumute.
»Krieger, bring mir eine Kaiila!« flüsterte sie. »Hilf mir fliehen! Ich verschaffe dir großen Reichtum bei den Gelbmessern!«
Sie hatte mich ›Krieger‹ genannt, obwohl ich noch Cankas Kragen trug, obwohl ich noch Sklave war. Ich musterte das Mädchen abschätzend. »Tut mir leid«, sagte ich schließlich, »aber meine Sympathien liegen auf Seiten der Kaiila.«
Zornig blickte sie mich an. »Ungeheuer!« fauchte sie. »Sleen!«
Ich wandte mich ab.
»Oh, Krieger, Krieger!« rief sie verzweifelt.
»Ja?«
»Wie läuft die Ratsversammlung?« wollte sie wissen.
»Welche Ratsversammlung?« fragte ich.
»Na, die große Versammlung der Kaiila, aller Überreste der Kaiila-Banden – der Isbu, Casmu, Isanna, Napoktan und Wismahi.«
»Der Rat?«
»Der hier und jetzt zusammengetreten ist!«
»Woher wußtest du davon?« fragte ich.
»Du sprachst im Lager der Gelbmesser davon, in meinem Zelt.«
»Oh!«
»Und glaubst du, ich hätte nicht all die Zelte gesehen, während ich vorhin zum Pfahl gebracht wurde?«
»Vermutlich macht es nichts mehr, daß du Bescheid weißt, da du gefangen bist«, sagte ich. »Natürlich wäre es nicht ratsam, wenn die Ungeheuer davon erführen oder die weißhäutigen Söldner oder die Gelbmesser oder Kinyanpi.«
»Nein«, sagte sie, »denn sie könnten euch hier umzingeln und auf dem Ratsfelsen belagern.«
»Nur gut«, sagte ich, »daß unsere Versammlung ein wohlgehütetes Geheimnis ist, von dem unsere Feinde keine Ahnung haben.«
»Ja«, sagte sie, »sonst könnte hier die Arbeit, die am Sommerlager begonnen wurde, mühelos beendet werden: mit der totalen Vernichtung des Kaiila-Stammes.«
»Zum Glück können unsere Feinde nicht wissen, wo wir sind.«
»Wir trugen tagelang unsere Sklavenhauben«, sagte Iwoso, »und wissen nicht, wieviel Zeit vergangen ist. Könntest du einer armen freien Frau nicht sagen, welchen Tag wir heute haben, hübscher Krieger?«
»Sicher kann es nichts schaden«, antwortete ich. »Wir haben heute den letzten Tag des Canwapegiwi.«
»Ah!« rief sie erfreut.
Ich lächelte vor mich hin. Hatte sie die Staubfahne noch nicht bemerkt? Seit gut einer Viertel-Ahn war sie im Westen auszumachen. Unsere Kundschafter beobachteten die weißhäutigen Soldaten und die Gelbmesser seit vier Tagen, seit sie den Nördlichen Kaiila überquert hatten.
»Du scheinst dich zu freuen«, sagte ich.
»Ach, nichts«, sagte sie.
Glaubte sie wirklich, sie wäre rein zufällig an diesem Morgen an den Pfahl gebunden worden, am letzten Tag des Canwapegiwi?
Unauffällig begann Iwoso nun das unter uns liegende Terrain zu mustern.
»Suchst du etwas?« fragte ich.
»Nein«, antwortete sie hastig und richtete den Blick auf mich.
Ich wandte mich von ihr ab und begann ein Seil aufzurollen. Dabei trat ich langsam hinter Iwoso und beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Wie erwartet blickte sie forschend über die Ebene.
Plötzlich bemerkte ich eine Bewegung ihres Körpers. Ich war sicher, daß sie den Staub gesehen hatte.
»Bist du sicher, daß es da unten nichts zu sehen gibt?« fragte ich und trat hinter sie.
»Nein!« rief sie. »Nein!«
»Ich weiß nicht recht«, sagte ich nachdenklich und schaute über die Prärie.
»Bin ich nicht hübsch, Krieger?« fragte sie.
Ich drehte mich zu ihr um.
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